ZEITKRATZER + KEIJI HAINO: s/t

Auch wenn man es nicht immer hört, die Hauptperson dieser Zusammenarbeit ist Keiji Haino mit seiner bis zur Verausgabung beanspruchten Stimme. Was bei der gemeinsamen Performance mit dem Zeitkratzer-Ensemble passiert, ist schwer zu beantworten: Übt die Stimme des japanischen Vokalisten Gewalt aus, oder wird ihr selbst Gewalt angetan? Im Unterschied zu einigen anderen Veröffentlichungen interpretierte das Ensemble um Reinhold Friedl beim Auftritt in der Bochumer Jahrhunderthalle kein schon bestehendes Werk des Künstlers neu, vielmehr nehmen Friedl und seine Musiker eher allgemein auf den Stil des Japaners bezug und lassen ihn mit dem eigenen Beitrag verschmilzen. Man ist also recht nah an einer Kollaboration im herkömmlichen Sinne.

Besonders gelungen ist dabei der Versuch, aus Hainos Stimmarbeit und dem Instrumentenspiel immer wieder eine sonore Einheit entstehen zu lassen. “Einheit” aber in Anführungsstrichen, denn die vom Ensemble entworfene Szenerie ist voll von klanglichen Details, die nicht immer so leicht ort- und identifizierbar sind wie die markanten Drum-, Streicher- und Bläsereinsätze. Zahlreiche der meist warmen Klänge lassen ihr Quellen zumindest für Laien im Dunkeln und erscheinen als abstraktes Brummen und Leiern im Raum.

Diese Klänge lassen zumindest oberflächlich betrachtet einen Irrgarten entstehen, in dem vieles nach einer verborgenen, vielleicht spontanen Logik verknüpft ist, und in der die Stimme das einzige repetitive ist. In regelmäßigen Abständen verschindet sie vollends im Lärm der Instrumente und lebt dort als entmenschlichtes Jaulen und Keuchen fort. Doch diese Symbiose wird immer wieder durch Momente des Loslassend und Auftauchens unterbrochen, in denen die Stimme sich in unerwarteter Deutlichkeit exponiert, als subtiler Falsett etwa in “Roses” oder als an einen hysterischen Diktator erinnerde Furie in “Birdy”, wo sie mit dem onomatopoetischen Zwitschern der Blasinstrumente nicht stärker kontrastieren könnte.

Gerade diese Momente sind es, die die Illusion des Organischen, die das Album und die Performance über weite Strecken bindet, noch deutlicher wirken lassen.

Label: zeitkratzer records/Karlrecords