JOSEF DVORAK feat. FUCKHEAD & DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND: Sous L’Arbre De Sience

Der Wiener Josef Dvorak ist Theologe und Psychoanalytiker mit Wurzeln im Wiener Aktionismus. Mir ist er in erster Linie als Autor eines Buches über den Satanismus bekannt, das sich wie die Zusammenfassung einer halben Spezialbibliothek liest und aufgrund der enormen Dichte an Namen und Begriffen v.a. ein gutes Nachschlagewerk abgibt. Keine Frage, dass er ein äußerst untypischer Vertreter seines Faches ist und seine Anhänger weniger in den akademischen Fakultäten als in einschlägigen Subkulturen findet, wo es an nonkonformen Suchern nicht mangelt. Gelegentlich hört man ihn auf Platte, das jüngste Ergebnis trägt den Titel “Sous L’Arbre De Sience” und erreichte soeben etwas verspätet meinen Briefkasten.

Auf der vorliegenden EP trägt der Meister Textpassagen aus der Genesis vor, untermalt mit geschmeidigen psychedelische Klängen, für die zwei berüchtigte Wiener Kapellen zu einer temporären Einheit verschmolzen sind – die provokanten Elektroniker Fuckhead und die bekannte Infinite Church of the Leading Hand um Albin Julius, der die Platte auch gleich auf seinem Label herausgebracht hat. Nachdem alle beteiligten Künstler in der Vergangenheit bereits in irgendeiner Form kollaboriert hatten, ist wie zu erwarten ein recht stimmiges Minialbum zustande gekommen, dessen vier Abschnitte wunderbar ineinander übergehen und am Ende den Eindruck entstehen lassen, dass erst die vier Stücke in ihrer Gesamtheit inklusive Intro und Ausklang so etwas wie einen Song ergeben. An einigen Stellen dominiert ein dezent rockiges Klangbild mit grummelnden Bassläufen und krautigen Gitarren, dann steht die mal sphärische, mal beinahe clubtaugliche Elektronik mehr im Vordergrund und ruft Zeiten in Erinnerung, als Krautrock und deutscher Wave sich gerade zeitlich ablösten und ganz beiläufig überlappten. Alles in allem kann man die Elektronik mehr mit Fuckhead assoziieren und das “Hippieske” mehr mit Albins Combo, doch sind gerade letztere einem stetigen Wandel unterworfen, so dass ein solches Sezieren mühsam ist, denn letztlich liegt hier eine große klangliche Einheit vor. Sowohl Fuckhead als auch Der Blutharsch und die Invisible Church haben in der Vergangenheit wildere, chaotischere Klänge fabriziert, hier nehmen sie sich wahrscheinlich bewusst etwas zurück, um Dvorak die Bühnenmitte ganz und gar zu überlassen. Sein evokativer Vortrag auf deutsch und französisch kreist um den Baum der Erkenntnis im Garten Eden, um verbotene Früchte und lockende Verführung, und welch ambivalenter Reiz im versprochenen Wissen liegt, das bisher nur Gott zugänglich war. Die christliche bzw. monotheistische Deutung der Geschichte ist bekannt, dass Dvorak die Dinge anders interpretiert, liegt im Grunde auf der Hand, doch hier wird das Thema nur angeschnitten, denn schließlich soll es ja nicht zu einer Predigt verwurstet werden.

Dvoraks trägt die Bibelverse mit dem Pathos eines finster dreinblickenden alten Zauberers vor, was zwischen dem Ernst der Darbietung eine schalkhafte Selbstironie vermuten lässt, und an einigen Stellen klingt die Rezitation wie der Auftakt zu einem spannenden Hörbuch. Fraglos eignet sich so etwas auch für den Budenzauber der Darkdisco, wo man seit jeher vergnügt im Tiefsinn badet. (U.S.)

Label: WKN