IONOSPHERE: Nightscape

Schon in meiner Besprechung zu Sawakos „Nu.it“-Album schrieb ich, dass es wenig Musikarten gibt, die das Phänomen der Nacht so unmittelbar und quasi impressionistisch einzufangen wissen wie Ambient. Während die Japanerin die Nacht als ein verspieltes Abenteuerreich darstellte, in dem sich wohlige und unheimliche Stimmungen gegenüberstehen, bis alles wie in einem Film zum beruhigenden Finale kommt, erscheint die Nacht in „Nightscape“, dem dritten Longplayer des deutschen Projektes Ionosphere, wie ein unendlicher Raum, der nicht nur den Schlafenden scheinbar für immer in seine Dunkelheit zieht. „Watch the world fall into the endless night“ lautet das aus den Titeln des eröffnenden und des abschließenden Tracks zusammengesetzte Motto des Albums. Doch auch hier ist die Nacht kein Gleichmacher, der alles in einem monochronen Schwarz zu ersticken droht.

Ionosphere versteht es, sein Paket an Klängen in dichte, ausladende Dronehüllen von soghafter Schwere zu packen, die über weite Strecken eine molllastige Wärme aufweisen. Mal körnig, mal vibrierend, mal so glatt wie eine Skulptur und dann wieder so kantig wie das Gebirgsmassiv auf dem Cover ist die Beschaffenheit dieses Rahmens so wechselvoll, dass die epische Reise schon deshalb episodisch anmuten muss. Noch interessanter ist allerdings das, was sich unter dieser Hülle abspielt. Das können kleine, wie im Zeitraffer vorbeischnellende Klangschnipsel sein, die in „Vast Winds from Beyond“ gegen den Strom der Dröhnung anschwimmen, oder auch die kleinen Leerstellen und Hohlräume im ganz bezeichnend „The Silence Underneath“ betitelten Stück. Oft geht es jedoch merklich konkreter zu, und es ist eine der reizvollen Paradoxien des Albums, dass man über gerade diese konkreteren Sounds letztlich doch nur mutmaßen kann – ist es das Stöhnen eines Liebespaares, das in „Watch the World“ von der Nacht verschluckt wird, was sagt die grummelige Männerstimme in „Polarized Light“, woher kommt wohl das hintergründige Pfeifen in „Radio Altitude“, bevor es von einem bedrohlichen Pochen übertönt und endgültig im analogen Klangstrudel verschuckt wird? All dies und weitere Dinge verdanken ihre Faszination der Vagheit, mit der sie nur schemenhaft durchs Klangbild huschen oder wie von sehr weitem, aus der Ionosphäre, betrachtet anmuten.

„Nightscape“ ist seinem Thema entsprechend ein düsteres Album geworden, doch es wäre falsch, es darauf und auf die Wucht der hereinbrechenden Düsternis zu reduzieren. Mit gestalterischem Feingefühl ist hier ein v.a. eine Hommage an die ins Dunkel gehüllte Vielgestalltigkeit einer verwandelten und verzauberten Welt gelungen.

Label: Loki