PARVE: Stabilité Économique

Man soll es eigentlich nicht im Rahmen einer Plattenbesprechung sagen, aber Parve aus Jerusalem sind besonders auf der Bühne eine Macht. Yaniv Schonfeld steht nach alter Jesus and Mary Chain-Manier mit dem Rücken zum Publikum und lässt die tiefen Saiten seiner Gitarre dröhnen und pulsieren. Tomer Damsky verwandelt sich am hinteren Bühne Rand in eine lupenreine Frontfrau indem sie sich in allen Schattierungen der Verzweiflung duch die überlangen Stücke schreit und dabei ihr Schlagwerk barbeitet, dass es den Hörern die Eingeweide zermalmt. Wir befinden uns im Grenzland zwischen Crustpunk, Noise und Sludge, falls das als Orientierungshilfe von Nutzen ist. Ich möchte die beiden in den nächsten Jahren mit Father Murphy auf der Bühne sehen und später im Vorprogramm der Swans. Und nein, das ist nicht zu hoch gegriffen.

Auch wenn auf ihrem ersten Tape diese entfesselte Energie nicht ganz so deutlich zutage tritt, kann man sich dennoch einen Eindruck davon verschaffen. Nach einem Intro, dass einer hebräischen Radioansage nebst enervierender Bubblegum-Muzak vorbehalten ist, zeigt sich bald, um was es in der Musik der beiden u.a. geht – um den ständigen Widerstreit zwischen Struktur und Chaos. Letzeres scheint auf den ersten Eindruck die Oberhand zu haben, doch die Drumparts in “Oy Vey Zmir” sind nur vordergründig wirr und die desolat wirkenden Gitarrenriffs machen erst nach und nach deutlich, dass sie, ob in den schleppenden oder den eher verspielten Passagen, niemals richtungslos sind. Doch es ist primär die Stimme, die einen durch das Labyrinth führt. Zunächst stilvoll nach hinten gemischt kreisen Tomers Vocals um ein matraartig widerholtes Wort, bis es zu einem abrupten Bruch kommt, und sich alles in einem grobkörnigen Soundchaos und heißerem Gekrächze entläd.

Ob die Lyrics, die scheinbar um politische und religiöse Themen kreisen und allerhand Gewissheiten ad absurdum führen, in Hebräisch, Englisch, Französisch oder einem undefinierbaren Sprachmix verfasst sind, offenbart sich oft nur für Momente – das sind dann solche, in denen die infernalen Stimmkaskaden vorübergehend in ausnehmend schönen, wenngleich karikaturesken Soprangesang kippen. Doch die bilden nur einen Teil der Variationsbreite und stehen neben solchen, in denen die Sängerin Schmerzensschreie bis zur Erschöpfung ausstößt. Momente, in denen sich die Musik in Brei auflöst, steht ein erdiger Primitivismus gegenüber, in denen verzerrte Riffs und monotones Hämmern das Regiment übernehmen. Kurzes Fazit: Tolles Tape. (U.S.)

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