PAUL JONES: No Call From Rasmus While Jogging

Paul Jones, den einige noch von seiner Mitwirkung bei Cindytalk her kennen, spielt Figuren auf seiner meist akustischen Gitarre, die prinzipiell endlos angelegt sein könnten, ohne dabei zu langweilen – und dies nicht obwohl, sondern gerade weil seine entspannten Pickings ganz minimale Patterns entstehen lassen, bei denen man die subtilen und sicher spontan einbrechenden Variationen oft nur unterschwellig wahrnimmt. Auf diese Weise wirkt seine Musik wie ein hintergründiges, atmosphärisches Mantra. Man kann für dies das oft strapazierte Wort Minimal Music oder besser noch den eher auf den Zeitaspekt rekurrierenden Begriff der Continuous Music verwenden, wie ihn ähnlich geartete Musiker wie James Blackshaw oder Lubomyr Melnyk verwenden. Ganz gerne präsentiert er dies aber auch in ganz knapper, fragmentierter Form, und sein aktuelles Tapealbum “No Call From Rasmus While Jogging” präsentiert einige spontan entstandene Exerzitien in einer Art slideshow, die sich auf jeder der beiden Seiten peu a peu zu einer konzisen Komposition verdichtet.

Eigentlich kann man die in der Labelbeschreibung eher zufällig in dieser Reihefolge gelisteten Tags “experimental mindexpansion running blues” wunderbar als passendes Genremonstrum gelten lassen, denn die ersten und letzten Minuten der beiden 20minütigen Tracks bestehen aus den gesampleten Geräuschen, die Schuhe, Wind und Atem beim Dauerlauf machen. Ist der Hörer erst eingestimmt auf den konsequenten, aber nie vollends gleichförmigen Rhythmus, beginnen irgendwann seine John Fahey-artigen Finger Pickings und präsentieren einfachen Figuren in roher, improvisierter Form. Recht zufällig und ad hoc arrangiert wirkt all dies schon wegen diverser Sounds im Hintergrund, wo ein Fernseher läuft, jemand spült oder sich lautstark unterhält. Doch die Schlichtheit täuscht – vielleicht mit Absicht – über die fragile Schönheit der kleinen ungekünstelten Ornamente hinweg. Immer wieder kommt es zu Brüchen, und andere Takte und Melodien übernehmen das Feld. Jede der fragmentarischen Episoden lässt in der Fantasie der Hörer die Idee zu fertigen Songs entstehen, die sich im Kleinen alle schon in diesen exzerpthaften Sequenzen finden. Manche dieser Abschnitte lassen Reminiszenzen an Musik aus dem vorder- und zentralasiatischen Raum anklingen, und man kann sich das Ganze dann auf der Oud oder der Sas gespielt vorstellen. Manchmal erdig und roh, dann wieder von einer entrückten Lieblichkeit halten die Fingerübungen stets die Balance zwischen Simplizität und Weite, die für die Effektivität solch minimaler Klänge wichtig ist.

Während der zwei langen Stücke hat der geheimnisvolle Rasmus aus dem Albumtitel nicht angerufen, und er kann sich meinetwegen auch gerne Zeit lassen, falls das zu einer Vortsetzung führen sollte. (A. Kaudaht)

Label: Das Andere Selbst