TELLAVISION: The Third Eye

Dass es das Projekt Tellavision um die in Hamburg lebende Fee Kuerthen schon ganze acht Jahre gibt, ist mir als Pop-Banause bislang entgangen, weshalb „The Third Eye“ dann für mich auch einem Sprung ins kalte Wasser gleichkommt. Der erste Eindruck war, dass es sich bei der Musikerin um eine Meisterin des Kombinierens von vermeintlich Unkombinierbarem handeln muss. Ob die Leidenschaft, mit der sie dabei vorgeht, auf antrainiertem Können oder einem gesunden Dilettantismus beruht, ist vielleicht nicht so wichtig. Dass die ehemalige Schülerin von Jutta Koether und Felix Kubin neben der Musik noch auf recht vielfältige Weise im visuellen Bereich aktiv ist, erscheint mir schon relevanter, und mit dem Slogan „Too ‘Punk’ for an arty audience, to arty for the Punks“ traf das Label schon mal einen zentralen Punkt.

Tellavision spielt eine Art von Pop, wie man ihn mit einem etwas anderen Sound schon in den frühen Nullerjahren hätte gebrauchen können, bevor die neue deutsche Schmollmundfraktion in den Ikeamöbelsound für Zweiraumappartments gekippt ist, und könnte außerdem als ein Hamburger Pendant zu Genre-Verächtern wie Fatima al Quadiri oder Future Brown in die Annalen von was auch immer eingehen. Was gleich zu Beginn auffällt, ist ihr Faible für plastische Sounds, die mit vielen dub-typischen Leerräumen arbeiten und auch in den verzerrt noisigen oder basslastig dröhnenden Passagen nichts von ihrer bildhauerischen Qualität verlieren.

Ihre ausgesprochen schöne Stimme nach Art eines klassischen Pop-Sopran, der stellenweise auch zu amerikanischem Girlie-Pop gepasst hätte, die es aber auch in MC-Variante gibt, wirkt dem gegenüber zunächst recht gegensätzlich, doch mit der Zeit verschmilzt das immer mehr miteinander. An dem genervten Stöhnen, in das ihr Gesang fast leitmotivisch an wiederkehrenden Stellen kippt, und bei dem man nicht immer genau weiß, ob sie das mit der Stimme oder mittels digitaler Tempo-Spielereien macht, liegt das sicher nicht allein. Die meisten Songs sind in einem soliden, aber stets auf stylischen Rhythmen dahintrabendem Midtempo gestrickt, und was Tellavision von den oben genannten Acts unterschiedet, ist ihr Hang zu gewollt simplen, nur leicht angeschliffenen Arrangements.

Manche Stücke wie „Hypocritiques“ sind von einer fast skelettierten Klanggestalt, bei anderen wie „Libido da Ooze“ steht ein fast urig-warmer Sound im Vordergrund, mein persönlicher Anspieltipp wäre „Hide and Look“, bei dem sie wie durch einen gallertartigen Film ihre schmachtvollen Popzitate in ein bluesiges Szenario hineinsingt. Die beiden Vorgängeralben sind mir bisher entgangen, aber „The Third Eye“ ist in jedem Fall eine gute Einstiegsplatte für alle, die keine Aversion gegen einen derart liebevoll-respektlosen Umgang mit Genre-Versatzstücken haben. (U.S.)

Label: Karlrecords