GERMAN ARMY: Kalash Tirich Mir

Ganze fünf LPs haben German Army in den vier Jahren ihres Bestehens in die Welt gesetzt, limitierte Veröffentlichungen auf Tape kommen hinzu, nicht zu vergessen diverse Splits wie zuletzt die auf Tourette erschienene 7” mit Novy Svet – geheimnisvolle Obskurantisten sind die beiden Kalifornier allerdings nach wie vor, denn über ihre Hintergründe, ihre Aktivitäten außerhalb der Band und letztlich auch über die von zahlreichen Andeutungen gespickten Semi-Konzepte ihrer Musik gibt es wenig Informationen. 

Hat man erst einmal Peilung aufgenommen für den feinsinnigen, dadaistischen Humor, der ihren rituellen, bisweilen mit Exotica gespickten Trashnoise durchzieht, kommt man zu dem Schluss, dass das auch gut so ist – nicht weil man Schlechtes erwarten würde, sondern weil das schräge, stoffelige der deutschen Armee gerade über Leerstellen so gut funktioniert.

Auch auf “Kalash Tirich Mir” finden sich bedeutungsschwere Andeutungen, die aber vage bleiben. Der Titel verweist recht sicher auf einen Schauplatz im Norden Pakistans, wo sich der Tirich Mir als höchter Berg des Hindukusch erhebt (das eine reale deutsche Armee in diesem Gebirge tatsächlich mal unsere Freiheit verteidigen wollte, ist sicher Zufall). In Tälern nicht weit von diesem Bergriesen jedenfalls lebt das indigene Volk der Kalash, auf den der andere Teil des Titels sicher eher verweist als auf ein in Russland gängiges Slangwort für Kalaschnikow. Es gibt auf dem Album jedoch wenig, was mit bloßem Auge (Tracktitel, Artwork) und Ohr (Samples, Instrumentierung) als deutlich aus dieser Region stammend erkennbar wäre. Cool ist nun, nicht dumm nachzufragen, und umso triumphierender zu feixen, falls einem doch noch eine nicht ganz beliebige Referenz auffallen sollte.

“Contemporary Dialogue”, das den Reigen an 14 Stücken eröffnet, ist zunächst lupenreine Americana von der Art, die direkt aus einem im Südwesten spielenden Roadmovie gefallen sein könnte, dabei nur leicht überdreht, und doch könnte man auch ohne Kenntnis der Band ahnen, dass dieser Stil – der später im rituell vor sich hinklappernden “Enumerate The Constellations” einen Flashback bekommt – die Platte nicht dominieren wird. Da ist das folgende “Plastic Canyon” mit seinem verzerrten technoiden Elektrosound, den genuschelten Vocals und der unterschwelligen Post Punk-Aggressivität schon um einiges repräsentativer.

Es gibt auf “Kalash Tirich Mir” nicht das eine leitmotivische Stilelement, das die einzelnen Tracks wie ein roter Faden durchzieht, doch eine Tendenz zu verzerrtem Rhythm Noise, frickelige Auftakte und Übergänge, kreisende, nie jedoch sich selbst überlassene Drones, ein plastisches und mit vielen leeren Klangräumen arbeitendes Soundsetting, obskure Sprachsamples und minimalistische Synthie-Elemente sind zumindest Zutaten, die öfter wiederkehren. Besonders interessant wird es aber gerade dort, wo Untypisches nur einmal vorkommt. In dem kleinteilig ausgearbeiteten Werk gibt es dahingehend einiges zu entdecken, doch der düsterindustrielle Sound in “Jungles of Judgement” sticht besonders hervor, ebenso interessante Stimmexperimente, bei denen spoken words – vielleicht samples, wer weiß das bei der verfremdung? – durch Laut-Leise-Effekte eine Art Rhythmus erhalten.

Hätte nicht Francis Ford Coppola, sondern Jodorowski “Apocalypse Now” gedreht, dann hätte er bis heute warten müsen, denn niemand hätte einen passenderen Score dazu komponieren können wie die beiden Kalifornier. “Kalash Tirich Mir” – auf schwarzem Vinyl und in 33er Rotation abzuspielen – klingt so abenteuerlich wie das ebenfalls bei Yerevan erschienene “Millerite Massai”-Tape, Artwork im typischen Labelstil runden den Release adäquat ab. (U.S.)

Label: Yerevan Tapes