Wenn man hört, dass ein Album das Ergebnis einer PHD-Arbeit ist, klingt das erst einmal nach Kopfgeburt und wenig Hörgenuss, was natürlich Quatsch ist, wie einem meist schon unmittelbar bewusst wird, denn eine wichtige Projektarbeit kann ebenso gut ein Garant für Gründlichkeit, Konzentriertheit und leidenschatliche Anstrengung sein. Der Norweger Ivar Grydeland, in der Vergangenheit aktiv in diversen Improv- und Rockbands wie Huntsville, Finland und Dans Les Arbres, stellte in seiner Abschlussarbeit (und somit im Album „Stop Freeze Wait Eat“) die Frage nach den Möglichkeiten eines Solomusikers, auch im Livekontext den Sound eines Ensembles zu kreiren.
In Zeiten verfeinerter Looptechnik ist all dies natürlich kein Ding der Unmöglichkeit mehr, man denke nur an den britischen Violinisten Matt Howden alias Sieben, der sein Instrument auf unterschiedliche Weise streicht, zupft, perkussiv bearbeitet, dazu singt und per Loops peu a peu den Sound einer ganzen Band entstehen lässt. Grydelands Besonderheit liegt – neben der zu vermutenden theoretischen Untermauerung seines Konzeptes – in der Quantität seiner Komponenten und der originellen Art der Zusammensetzung. Grydeland spielt verschiedenste Gitarren und Banjo, E-Piano und diverse Synthies sowie zwei Arten von Perkussionsinstrumenten, und wenn es im Laufe des Albums so etwas ie ein Leitmotiv gibt, dann die wiederholten hypnotischen Rhythmuspassagen, die zwar angedeutet bleiben, aber zwischen den etwas frickeligeren Momenten merklich Struktur stiften. An ihren Rändern lassen sie Raum für sehr schöne Gitarrenpickings, die sie oft und gerne versebltständigen und eigene Erzählstränge entstehen lassen. Bisweilen könnten sie am Rand einer kakteengesäumten Straße irgendwo in Arizona oder New Mexico zur Welt gekommen sein, und in den meditativsten Augenblicken kam mir Michael Cashmores untrareduziertes Album „Sleep England“ in den Sinn. Markante Banjo-Passagen wecken den Hörer aus der tagträumerischen Illusion, und machen, wenn sie sich über zum Teil recht lärmiges Geknatter ausbreiten, erneut das Faible des Musikers für Americana bewusst.
Letztlich ist „Stop Freeze Wait Eat“ ein sehr feinsinniges, gefühlvolles Album geworden, das emotional zu berühren versteht, vorausgesetzt, man versteht ein gesundes Maß an Abstraktion und gelegentliche erratische Passagen nicht als störend, sondern als willkommene Herausforderung. (A. Kaudaht)
Label: Hubro