FOVEA HEX: The Salt Garden I

Als Brian Eno, der an verschiedenen Aufnahmen von Fovea Hex mitwirkte, die Songs der irischen Band als die außergewöhnlichsten bezeichnete, die er seit Jahren zu hören bekam, sollte das vielleicht nicht nur ein Lob der Qualität dieser Musik sein, denn diese ist in mehrerer Hinsicht untypisch und lässt sich kaum in ein beschreibendes Korsett zwängen. Fovea Hex ist wie eine kleine Enzyklpädie. Ihre Musik, die Begriffe wie Ambient, Folk oder experimentelle Musik überflüssig erscheinen lässt, ist erdverhaftet und zugleich entrückt, ist ebenso traumwandlerisch wie meditativ. Die meisten der getragenen Stücke haben starke Songqualitäten und sind doch von der verschwimmenden Struktur abstrakter Kompositionen. Und was in dieser Musik emotional passiert, lässt sich besser empfinden als rational erfassen.

Clodagh Simmonds, die die Band vor gut zehn Jahren ins Leben rief, hat immer wieder unterschiedliche Musik gespielt und auch längere kreative Pausen eingelegt, so dass man bei den ersten Erzeugnissen, den drei EPs der „Neither Speak Nor Remain Silent“-Reihe, nicht einmal einschätzen konnte, ob das Projekt nun als feste Band Bestand haben sollte. Genau das passierte aber, und seitdem sind Musiker wie Laura Sheeran, Michael Begg, Cora Venus Lunny, Colin Potter und Kate Ellis immer mehr zu einer festen Formation zusammengewachsen.

Unter dem Titel „The Salt Garden“ erscheint nun eine weitere Trilogie an kleinen Veröffentlichungen, und schon der erste Teil ist ungemein dicht und gehaltvoll. Mit ihrer kraftvollen Stimme, bei der man vielleicht an Shirley Collins denken mag, lässt Simmonds in „The Golden Sun Rises Upon The World Again“ ein tatsächlich diesem Titel entsprechendes Gefühl zum Leben erwachen, kleine Effekte auf Stimme und Instrumentalspuren tragen dazu bei, v.a. aber ein Sinn für triumphale Steigerung und eindringliche Verse, die das Auf- und Ausbrechen aus vertrauten Strukturen feiern – Drone wäre ein zu ordinäres Wort für solche Musik und ungefähr so angebracht wie gelegentliche Nico-Vergleiche, die der verhaltenen Euphorie dieser Musik kaum gerecht werden. Das dunklere und spannungsgeladenere „No Bright Avenue“ führt das Motiv des Aufbrechens weiter. In dramatischen Bildern und von Sheeran am Mikro begleitet singt Simmonds von Wegen, die man gehen muss, um das Leben, aber auch seinen Herkunftsort überhaupt kennen zu können: „Go blazing – go flaming!“ Und dennoch mutet das ganze zugleich gefasst und wundersam eingehegt an.

„The Undone Mother“, das eine vage Bilder einer verdrängten, wiedergängerischen Figur zeichnet, hält die musikalisch reduziertesten Momente bereit, doch hier Simmonds und Begg, die den Song allein bestreiten, geben sich Fovea Hex hier weitaus verspielter und elektronischer. Satte Streicher sind dann wieder im rein instrumentalen „Solance“ zu hören. Bei dem Oliver Sacks gewidmeten Stück wirkt Eno wieder mit, und das wellenförmige Auf- und Ab und Sheerans tieftraurige Singende Säge gegen der EP einen berührenden Abschluss.

Die EP erscheint als 10” und CD und wie schon bei der ersten Reihe gibt es auch hier wieder eine Bonus-Scheibe mit einer ausladenden Remixversion eines ausgewählten Tracks, im vorliegenden Fall vergreift sich Steve Wilson (Bass Communion, Porcupine Tree) gut zwanzig Minuten lang an „Solace“.

Label: Die Stadt / Headphone Dust