FAUN FABLES: Born of the Sun

Folk wird gerne nachgesagt, regressiv und rückwärtsgewandt zu sein und eine eskapistische Sehnsucht auf eine idealisierte Vergangenheit zu projizieren, in der ein einfacheres Leben im Einklang mit den Zyklen der Natur und eine unverdorbene Spiritualität möglich waren. In Wirklichkeit hat Folk nur in seinen trivialeren Ausprägungen mit solchen Utopien zu tun. Fraglos geht es immer wieder um Natur und Spiritualität, und als Vehikel für Traditionen und somit als der Zeit verpflichtetes Phänomen hat Folk natürlich auch mit der Vergangenheit zu tun.

In seinen besten Formen allerdings ist dies keineswegs gleichzusetzen mit einer Flucht vor einem Hier und Heute, welches all die gesuchte Ursprünglichkeit ohnehin enthält – als etwas, das sich mit sensiblen Augen aufspüren lässt, wo immer es nicht museal zutode konserviert wurde. Folk muss nicht in Sehnsucht nach der Utopie schwelgen, denn die „Tradition“ ist als hidden reverse unserer Kultur inhärent. Shirley Collins war niemals schwelgerisch zumute, spürte vielmehr Reste dieser Kehrseite auft, und was sie fand, war eine Unschuld, die ihren tragischen Subtext nicht verhehlt.

Die um Dawn McCarthy und ihren Partner Nils Frykdahl gruppierten Faun Fables, die eine „progressive“ Version dessen spielen, was man vor Jahren begeistert Weird Folk nennen durfte, haben ein diffiziles Verhältnis zu all dem. Ihr Kosmos aus heidnischem Naturfolk und karnevalesker Vintage-Performance beinhaltet alle Themen, die man mit solcher Musik verbindet, und ähnlich wie bei ihrem Freund B’ee (In Gowan Ring, Birch Book) geht es bei ihnen immer wieder um das Reisen, um Suchen, Ankommen, Verlassen, Wiederfinden, um das Zuhause als mal beengenden, mal nostalgisch besetzten Ort, um weite Fahrten, den tanzenden Wind und den gedeckten Tisch im eigenen Haus, dessen Gegenstände schon mal ein bewegliches Eigenleben bekommen.

Die Faun Fables haben es nicht nötig, ihre Musik extra kantig aufzurauen, denn in der Lieblichkeit von Dawns Sopran, mit dem sie manchmal wie ein deklamierendes Kind in der Dreigroschenoper wirkt, erst recht aber in den vielen schrägen Ideen, steckt genug eigenwillige Herbheit, die jedem trivialen Idyll entgegenwirkt. Auch auf dem neuen Album, das vage dem Thema des Aussteigens gewidmet ist, findet sich diese Spannung, und selbst die schönsten Tracks offenbaren Brüche und Unsicherheiten. Das nostalgische „Ydun“ mit Flöten und verträumten Glöckchen versprüht eine wehmütig gefärbte Schönheit und kündet in erster Linie vom unsicheren Suchen der „hidden flowers“, bei denen man unweigerlich an die berühmte blaue Blume denken muss – wer hat sie je gesehen? Das dunklere „Goodbye“ kommt darauf zurück und macht unmissverständlich klar, dass Suche (und Selbstsuche) immer auch mit dem Schmerz des Loslassens verbunden sind.

Die folkigen Akustikstücke machen aber nur einen Teil des Albums aus. Neben Prog-Songs wie Frykdahls angebluestem „Madmen and Dogs“ steht dem jede Menge entgrenztes Tamtam entgegen. Im „Wild Kids Rant“ wird sein grindiges Stakkato, das er sonst im Sleepytime Gorilla Museum auslebte, von den drei Kindern der beiden begleitet, bei „Oh My Stars“ werden die Sterne um Wegweisung beschworen, begleitet vom harmonica man und von schweren Stiefeln, die auf dicke Dielen trampeln.

Das zentrale Thema scheint Einklang zu sein – man sucht kein Idyll sondern eine echte Harmonie, und die Natur, die Berge und Bäume, die in „Invitation“ als Palast der Vögel dienen, werden vor allem als Orte der Stimmigkeit besungen, an denen die Dinge in all ihrer Einfachheit so sind wie sie sein sollen, und das ganz ohne idealisierenden Zuckerguss. Solche Orte können auch menschengemacht sein, wie das „Old Country House“, dessen seltsam animiertes Inventar die abwesenden Bewohner nach Jahren zurückruft. An solchen eher skurrilen als weichgezeichneten Stellen wird dann auch der Optimismus des Suchenden belohnt, denn der Ruf wird am Ende erhört, zu deutlich gehören Menschen und Dinge hier zusammen. Das sind die Momente, in denen „Born of the Sun“ nicht nur vom Suchen, sondern ebenso vom Finden erzählt. (U.S.)

Label: Drag City