GOAT: Requiem

Einige wenige westliche Musiker schaffen es, sich traditionelle Musik fremder Länder anzueignen und auf eigene Art zu interpretieren, ohne dabei in die Exotismusfalle zu tappen. Bei vielen anderen schnappt sie schon nach wenigen Schritten zu. Ganz selten schafft es jemand, alle Klischees so sehr zu bedienen, dass es schon wieder Spaß macht. Die schwedischen Goat zählen dazu, und sie machen das Ganze auch noch musikalisch sehr gut.

Für alle, die noch nie von der seltsamen Combo gehört haben, sei kurz die neben der Musik offenkundigste Eigenschaft genannt: Goat halten, vergleichbar den Residents, ihre persönliche Identität inklusive den meisten ihrer Namen streng geheim, pflegen stattdessen einen myteriösen Herkunftsmythos um eine jahrzehntealte Voodoo-Kommune und verstecken sich hinter geheimnisvollen, pseudoritualistischen Masken und exotischen Gewändern, bei denen man an Afrika denkt, zugleich aber auch an die Andenregion, an seltsame okkulte Riten und an die Sun City Girls. An letztere musste ich auch beim Cover der aktuellen LP „Requiem“ denken, die an das vor zwei Jahren erschienen „Commune“ anknüpft.

Von der Musikpresse werden Goat meist dem Psychedelic Rock zugerechnet, doch was sich letztlich dahinter verbirgt ist eine wilde Mischung aus polterndem Drum- und Gitarrenfreakout und Einflüssen aus den unterschiedlichsten Weltregionen, wobei die „folkigen“ Zutaten diesmal einen weit größeren Raum einnehmen als bei den noch rockigeren Vorgängern. Insgesamt scheint dabei v.a. die Fantasie der Musiker eine große Rolle zu spielen, denn die bluesigen Gitarren, die manchmal an Texmex erinnernden Rhythmen, die südamerikanischen Flöten und der (mal a capella, mal begleitet vorgetragene) Chorgesang, der Afrika oder die Südsee assoziieren lässt – all das wirkt aus abenteuerlichen Exotica in Musik und Film vertraut, wie medial aufgeschnappt und kreativ verwurstet.

Was dabei herauskommt, mag keinen wie auch immer gearteten Authentizitätsansprüchen genügen, aber auf äußerst freakige Art erdig klingt es dennoch, selbst dann, wenn der Takt offenbar mit einem an der Tischkante geriebenen Kamm erzeugt wird. Bei einigen Songs („Goatfuzz“ oder „Alarms“) stechen die Rockstrukturen etwas deutlicher aus dem Mashup heraus, man denkt vielleicht an Jefferson Airplane, etwas feierlicher allerdings, schon wegen der sanften Wellen des Mandolinenspiels. Fast schon eine radiotaugliche Ballade ist „Psychedelic Lover“ mit seinem arabischen Intro. Dagegen stehen pure Tribal-Stücke wie das ekstatische „Temple Rhythms“.

Wer dem Zauber Goats nicht vollends erliegt, könnte „Requiem“ als etwas lang empfinden, zumal die einzelnen Stücke nicht gerade auf innere Entwicklung bauen – sind sie erst einmal bei sich angekommen, bleiben sie recht konstant in ihrer Struktur. Zeit generell scheint ein Thema bei den Schweden zu sein, denn gegen Ende, beim etwas aus der Art schlagenden Pianotrack „Ubuntu“ sind Zitate aus ihrem ersten Song überhaupt eingebaut. Ich hoffe mal, dass das kein finales Zeichen ist. (A. Kaudaht)

Label: Rocket Recordings