ARTICO CVLTO / GERSTEIN: Live Al Museo Della Fantascienza & Mental Hospital P14

Der nostalgisch aussehende Subwoofer, der dieses Tape ziert, ist Programm, denn er ist Teil fast jeder Performance des Turiner Ambient und Multimedia-Duos Artico Cvlto, das vor einigen Monaten die hier dokumentierten Konzerte aufführte und an einem der Abende das italienische Ritual- und Industrial-Urgestein Maurizio Pustianaz alias Gerstein mit ins Boot holte. Für die Shows hatte man sich mit dem Turiner Sci Fi-Museum und dem im benachbarten Collegno gelegenen Padiglione 14 zwei besondere Orte ausgesucht. Letzteres ist eine Räumlichkeit in einem ehemaligen psychiatrischen Krankenhaus, das seit rund zwanzig Jahren geschlossen ist und in der letzten Zeit vermehrt für Kulturveranstaltungen genutzt wird.

Schon auf der ersten Seite meint man die Live-Atmosphäre zu spüren: Im recht langsam anschwellenden Brodeln der undefinierbaren Sounds, im verfremdeten Stimmengewirr und der alles verschlingenden Wolke aus Rauschen, in die recht plötzlich, aber wie aus der Ferne, aggressives Power Noise-Shouting einbricht wie ein Unwetter in eine, nun ja, zumindest vergleichsweise harmonische Welt. Erst nach geraumer Zeit erkennt man typische Stilmerkmale des Duos, die auch auf ihremr Split mit Noise Cluster zu hören sind: die typische ambiente Dröhnung und ungewöhnliche, wenngleich unterschwellige Rhythmik, die in ihrem archaischen Scheppern schon auf Gerstein vorauszudeuten scheint.

Die erste Seite hat etwas von einem Dokument, das die Intensität der Darbietung nur zu gut erahnen lässt, und man darf vermuten, dass das Ganze im multimedialen, installationartigen Rahmen von Artico Cvlto noch intensiver wirkt. Die zweite Seite funktioniert auch perfekt für sich als Musik, was sicher zum Teil an der brüchigeren und leicht episodisch anmutenden Struktur des Materials liegt: Die Rhythmen sind kunstvoll fragmentiert, und immer wieder gibt es Abschnitte lärmenden, rhythmischen oder auch ansatzweise melodischen Charakters, die wie Anfänge von nie realisierten „Songs“ erscheinen, und alles bleibt immer etwas erratisch und unregelmäßig und wirkt an den besten Stellen so mysteriös wie ein nur spärlich erleuchteter Spiegelsaal, der bei der kleinsten Detonation zu zerbersten und zu zerklirren droht.

In seinen besten Abschnitten wirkt das Trio wie eine organische Einheit, und man vergisst für Momente, das hier Musiker aus ganz unterschiedlichen Generationen des italienischen Post Industrial fusionieren – beide Acts verdienen auch hierzulande, etwas mehr in den Fokus genommen zu werden. (U.S.)

Label: Luce Sia