Ô PARADIS: Maia Convoy

Eigentlich plante Demian Recio, Ô Paradis nach den beiden von Fans recht enthusiastisch gefeierten Songalben „Naciemento“ und „Llega el Amor, Asome la Muerte“ erst einmal auf Eis zu legen. Dem entsprechend kam auch zunächst eine Compilation heraus, die besondere Stücke aus verschiedenen Phasen der beinahe zwanzigjährigen Bandgeschichte enthielt. Doch lange Pausen sind nicht sehr typisch für Demians unermüdliche Leidenschaft für’s Songschreiben, für’s Basteln mit Klängen und das Finden neuer Ideen. Viel charakteristischer ist sein Hang, nach beinahe jedem Album wieder ganz andere Mittel und Ausdruckswege aufzuspüren, so dass der typische Ô Paradis-Sound einzig über den warmen, spanischen Gesang und vertraute Harmonien transportiert wird.

„Llega el Amor, Asome la Muerte“ war ein sehr erdiges, vom Sound her folkig ausgerichtetes Album, dessen thematisches Kreisen um Werden und Vergehen von Leben, Liebe und Schönheit von klassischen Gitarrenklängen und beinahe Jodorowskij’schen Totentanzbildern vorangetragen wurde. „Maya Convoy“ unterscheidet ich davon in vielfacher Hinsicht, scheint inhaltlich immer wieder auf die mysteriöse Wirklichkeit hinter den Schleiern unserer Alltagsillusionen zu rekurrieren und entpuppt sich schnell als originelles, vielschichtiges Stück elektronischer Producermusik.

Wenn Ô Paradis-Alben eher einlullend beginnen, ist das oft der Auftakt gefährlicher Klangtrips, und beim noch fast verbummelten Opener, der mit luftigen Räumen und dezentem, mehrstimmigen Gesang schon ein Licht auf den zu erwartenden Sound wirft, ahnt man noch wenig von den zahlreichen Strudeln, in die man nacheinander geworfen wird. An vielen Stellen fällt Demians Lust am Spiel mit gewagten Klangkombinationen auf, doch nie scheint dies reiner Selbstzweck, immer steht es im Interesse der Ausdrucksintensität: Bei „El Suelo Ajado“, dessen verkratzter Noiserocksound den Gesang und die swaying Beats fast unter sich begräbt, und dessen vordergründige Monotonie das berührende, Ergreifende in den kleinen Melodieansätzen noch stärker exponiert. Bei „El Viejo Cuero“, wo chaotische Takte und psychedelisches Tremolieren aufeinanderprallen und eine Oberfläche formen, auf der der Gesang wie in einen Rahmen gepackt und draufgeklebt anmutet. Bei „La Hoguera“, bei dem eine nostalgische Jahrmarktsorgel und verträumter Gesang von räudigen Noisestreifen zerschnitten wird. Solche Momente sind so abgründig wie einst das harsche „La Bocca del Infierno“-Album und so verspielt wie „Cundo el Tiemplo Sopla“, damals ein Höhepunkt kompositorischer Feinsinnigkeit.

In der Vielfarbigkeit der Songs, die ihren montierten Charakter freimütig offenbaren, gibt es immer Momente, in denen sich für Sekunden Fenster zu ungewöhnlichen Soundwelten auftun, um sich nach einem kurzen Einblick wieder wie eine Fata Morgana aufzulösen. Doch alles „experimentelle“ hindert die Musik nicht daran, tolle Songs entstehen zu lassen. Poppige Ohrwürmer wie das eher entspannte „Cualquier Distancia“ und das besonders eingängige „Serpiente Convoy“ mit seinem gekonnt in Irritation versetzten Rhythmus stechen hervor, ebenso das trotz des kraftvollen Gesangs schaurig vor sich hindröhnende „Verlo Pasar“ und nicht zulezt „Paskutiné“ mit berührenden Gastvocals der litauischen Sängerin Daina Dieva. (U.S.)

Label: Disques de Lapin