Vielleicht ist die Beschreibung von Musik als einer imaginären Landschaft mittlerweile etwas verbraucht, doch wenn Ana Kravanja von der slowenischen Improv-Folk-Gruppe Širom ihre künstlerische Absicht so beschreibt, ist es sicher interessant zu wissen, dass sie von Haus aus Malerin ist und in Abstraktion entrückten Traumlandschaften zuneigt. Auf ihrem zweiten Album spielen Landschaften aber eine noch größere Rolle.
Während der Aufnahmen von “I Can Be A Clay Snapper” filmten die drei Musiker verschiedene abgelegene Orte im ländlichen Slowenien, die in ihrer Kindheit eine prägende Rolle gespielt hatten – primär um zu erforschen, welchen Einfluss diese Annäherungen auf die Musik haben könnten. Am Ende lagen zwei Arbeiten vor: Der Dokumentarfilm “Memoryscapes” und das vorliegende Album, das bereits als Folk aus einem Paralleluniversum beschrieben wurde.
Širom sind nicht nur passionierte Sammler traditioneller Instrumente aus allen Weltgegenden, sondern ebenso leidenschaftlicher Bastler, die aus allen möglichen und unmöglichen Alltagsgegenständen – im Booklet als various objects angegeben – neue Klangerzeuger herstellen. Da sie anscheinend alles davon zu Wort kommen lassen und teilweise elektronisch bearbeiten, sind die fünf episodisch gegliederten Tracks so wandlungsreich wie die solwenische Landschaft mit ihren zahlreichen Bergen und Tälern.
Immer hat eine bestimmte Klangquelle ihren Vortritt, zuerst monoton angeschlagene Saiten eines mir unbekannten Instruments, dann das Glissando einer Art Harfe, später eine schwermütige Geigenmelodie, hauchende Bläser und das wortlose Summen einer menschlichen Stimme. Angesichts der Vielfalt der musikalischen Einflüsse, wenn mystische Banjo-Klänge in das verträumte Saitenspiel eines ostasiatischen Instruments überleitet, fühlt man sich von Schauplatz zu Schauplatz getragen.
All dies würde wie eine simple Präsentation von Möglichkeiten anmuten, wäre die Musik weniger eindringlich – durch die Menge an gut ausgeloteten Stimmungslagen geraten die weiträumigen Klangwelten aber so farbenfroh und anschaulich wie die Fantasy-Aquarelle des Artworks. Das bedeutet freilich keineswegs, dass es hier nur besinnlich zuginge. Keines der Stücke bleibt seinem anfangs eingeschlagenen Kurs treu, und so wird man schon mal von ekstatischen Schreien aufgescheucht oder landet in einer aus den Fugen geratenen Freeform-Kakophonie.
Wenn es aber etwas gibt, das alle Elemente zusammenhält, dann der warme, erdige Klang, der dafür sorgt, dass der Boden des ländlichen Kindheitsortes, auf dem auch die geografische Distanz der vielen eingesetzten Instrumente nichtig erscheint, nie verlassen wird.
Label: Glitterbeat / Tak:Til