NIKOLAS SCHRECK: The Futura Model EP

Von Nikolas Schreck, der sich nach dem Ende von Radio Werewolf zunächst anderen Aktivitäten widmete, gab es in den letzten Jahren einige musikalische Lebenszeichen. Da waren Konzerte in verschiedenen Konstellationen und mit unterschiedlicher Songauswahl sowie ein gelungenes Album mit seiner Band Kingdom of Heaven. Von einem Solowerk ist seit längerem der Rede, auf dem letzten Epicurean Escapism-Festival und der dazu gehörenden Compilation gab es mit „Lord Sutekh’s Dream“ schon einen Song als Vorgeschmack. Mit der EP „The Futura Model“ ist nun ein weiteres Stück in drei Versionen erschienen.

Wer Schreck nur von Radio Werewolf her kennt, verortet den Musiker eventuell im Spannungsfeld zwischen Death Rock einer dunklen, proklamatorischen Form der Ritualmusik. Das ist fraglos eine Komponente in Schrecks Stilrepertoire, allerdings eine einengende, die auf bestimmte Zeiträume in seiner Vergangenheit fokussiert ist. Schon bei Kingdom of Heaven konnte man einen Eindruck von Schrecks vielfältigen Interessen quer durch die Geschichte klassischer Popkultur bekommen: Progrock und Gospel, Rhythm and Blues und klassisches Crooner-Entertainment, Superhelden und dubiose Menschenfischer, und allem voran das ewig Weibliche im Spiegel der unterschiedlichsten Mythen.

An einiges aus dieser Mixtur knüpft auch „The Futura Model“ an, auch wenn es von Sound her deutliche Unterschiede gibt: Kein Schreck-Song der Vergangenheit groovte derart, z.T. liegt das sicher auch daran, dass mit Heathen Rae ein echter Drummer mit an Bord ist, darüber hinaus wirken die aufgeweckten Takte, die repetitiven Bassläufe, die coolen, scifi-artigen Synthies und Schrecks Gesang aber auch wie für einander geschaffen. Dank elektronischer Bearbeitung gerät das Klangbild zwar weniger organisch als auf den letzten Konzerten, dafür bekommt das Stück Psych Pop einen nerdig-coolen, retrofuturistischen Touch.

Auch hier wieder im Zentrum der Archetyp des Weiblichen, der in all seiner verführerischen Macht als Femme Fatale, aber ohne den für diesen Mythos üblichen verkappten Frauenhass lebendig wird – im Gegenteil: das erotische Charisma der Verführerin verwandelt den Helden erst in die bessere Version seiner selbst: Eine schöne Heldin aus einer fernen Galaxie umgarnt den Sänger mit Hilfe seines Lieblingsmediums, des Radios, und spielt ihm die neusten Hits vom Planeten Aldebaran vor, doch statt ihn nach der erfolgreichen Verführung mit an Bord zu nehmen und von den viel zu vielen Menschen zu befreien, lässt „La Belle Dame Sans Merci“ den Mann schmachtend zurück. Doch wer immer dieses lyrische Ich ist – ein schwach gewordener Superheld oder ein intergalaktischer man of feeling – irgendwie scheint der kurze fatale Flirt ihm Esprit eingehaucht, ja ihn regelrecht transformiert zu haben. Anderenfalls wäre „The Futura Model“ auch nicht so heiter und groovig, und auch die Zeile “My rocket rises ever higher”, die sicher schon dem alten Freud gefallen hätte, klingt alles andere als deprimiert.

Einziger Wermutstropfen ist, dass die beiden ersten der drei Versionen sich schon ziemlich stark ähneln. Bei der „Parallel Universe Version“ gibt es ein paar zusätzliche futuristische Spielereien und insgesamt einen größeren Hang zu weiten, verhallten Räumen, aber das sind kleine Variationen, und ich gebe dennoch dem etwas satteren Original den Vorzug. Die „Late Night Supernova Version“ dagegen ist weniger Rock, mehr Soundkulisse mit Lounge-Feeling, insgesamt synthetischer und verspielter und somit reich ein netten Ideen.

Wer die schrecktypische Mischung goutiert, sollte durch den Song angefixt sein und dem Album, das wohl am entstehen ist, entsprechend entgegenfiebern – wenn man bedenkt, wie unterschiedlich “The Futura Model” und das komplexe und zugleich versponnene “Lord Sutekh’s Dream” sind, kann man sich jedenfalls auf eine gewisse Bandbreite freuen. Ähnlich wie Kingdom of Heaven scheinen die Soloarbeiten jedenfalls an die schmissigen, von einem Schuss Rock’n'Roll durchtränkten Ur-Radio Werewolf der 80er anzuknüpfen, was ich sehr begrüße. Die reguläre Edition der einseitig bespielten 12” ist in 222er Auflage erschienen, eine ultralimitierte Liebhaberedition enthält u.a. noch ein signiertes Poster. (U.S.)

Label: The Epicurean