Im westafrikanischen Ghana erfreut sich die Kologo seit Jahren einer großen Beliebtheit: ein altes zweisaitiges Instrument, das als einer der Vorläufer des amerikanischen Banjo gilt und bis zum Hype um Musiker wie King Ayisoba und Prince Buju zu den regionalen Standardinstrumenten in den Dörfern der Nordprovinzen gehörte. Kologo spielt man nicht, weil man es durch mühsames Studium gelernt hat, sondern weil man seinen Klang, seinen Groove und den Sinn für die Spieltechniken im Blut hat. Dabei gehen die Vorstellungen weit über die Genieästhetik etwa der europäischen Sturm und Drang-Epoche hinaus, denn Kologo ist nicht nur ein Instrument, sondern ein spirituelles Wesen, das zu einem Klan oder einer Familie gehört. Ist man Teil einer solchen Gemeinschaft, kann es passieren, dass einen dieses Wesen auswählt, und so wird man ein Kologo-Spieler. So zumindest berichtet es Atamina.
Atamina, der im Norden unweit der Grenze zu Burkina Faso geboren und aufgewachsen ist, ist im bürgerlichen Leben Arzt, spürte aber irgendwann den Drang der Kologo in sich und begann seine zweite Karriere als Musiker – eine Berufung, die er, wo er schon mal Medizin studiert hat, ebenfalls als eine Heilertätigkeit auffasst. Seine Freundschaft zu King Ayisoba, einem der Stars der Szene, bescherte ihm gleich ein größeres Publikum und die Möglichkeit, auf größeren Bühnen aufzutreten. Auf der für den internationalen Markt zusammengestellten Compilation „This is Kologo Power!“ war er mit einem Track vertreten, dessen Vocals noch Ayisoba übernahm. Westliche Politiker, Ökonomen, Entwicklungshelfer, die Guten wie die Bösen, bekommen auf dem Stück ihr Fett weg, um ihren eigenen Kehricht sollen sie sich scheren und die afrikanischen Gesellschaften ihren eigenen Weg finden lassen.
Auf seinem vorliegenden Debüt nimmt er das Mikro selbst in die Hand und entpuppt sich als humorvoller und unterhaltsamer Frontmann mit einem Faible für kontroverse politische Themen, was ihm bereits den Ruf als die „Ein Mann-Sleaford Mods“ von West-Afrika einbrachte. Ähnlich wie Buju und Ayisoba zählt Atamina zu den Künstlern, die die Kologo nur selten solo verwenden, sondern je nach Song mit unterschiedlichen Begleitungen arbeiten. Das kann eine Art Bigband sein, die z.B. das zunächst hypnotisch monotone „Enjoy Yourself“ ebenso wie das mystisch angehauchte „Guhumenga“ in ausgelassene Festakte verwandeln. Es kann aber auch ein Chor oder ein einzelnes Begleitinstrument sein, und für eine landestypische Flöte, die schon im Opener zu hören ist, scheint er eine besondere Vorliebe zu haben. Der einleitende Titelsong enthält vieles von der folkigen Seite des Atamina-Style in Reinkultur: Verspielte Zupfer, die stimmungsvolle Flöter und seine ausgelassene, hochtönende Stimme sorgen für eine frohsinnig anmutende Kulisse, vor der sich immer mehr eine gewisse Grantigkeit zu erkennen gibt, auch im Text, einem Rundum-Rant gegen falsche Freunde und Liebhaber aller Art, bei dem mir der amerikanische Folksong „The Cockoo“ in den Sinn kam.
Nicht alle Texte haben derart einfache Messages, „When Two Elephants Fight“ mit seiner tänzelnden Handdrum arbeitet da schon eher mit der atmosphärischen Wirkung starker poetischer Worte. Bei dem bewusst elektronischer gestalteten „Rubber Song“ wird es dagegen sehr konkret – über den enervierenden Plastikbeats entfaltet sich Ataminas aggressive Forderung an seine Landesregierung, wie andere afrikanische Staaten Plastiktüten zu verbieten, um dadurch der Verschmutzung der Gewässer mit Müll Herr zu werden. „No One Wants To Die“ klingt für westliche Ohren etwas nach Bossa Nova, aber vielleicht ist das auch ein Einfluss lokaler Moden, interessant ist hier v.a., wie der Sänger elegant von heiteren Spoken Words zu schrillem Gesang und zurück wechselt.
Die Begeisterung für die, wie es scheint, ausgesprochen vielgestaltige Kologo-Musik hält an, und da außerhalb West-Afrikas nach wie vor überwiegend Spezialinteressierte von dem Hype überhaupt Wind bekommen haben, ist das durchaus gut so. Atamina, der wohl bewusst auf ein breites Spektrum an Sounds und Instrumentierungen setzt, hat in jedem Fall das Zeug, der dritte Popstar und der größte Protestsänger dieses Genres zu werden. (U.S.)
Label: Makkum Records