CONTROLLED BLEEDING: Headcrack

Ich habe an anderer Stelle einen kurzen Abriss über die musikalische Entwicklung Controlled Bleedings gegeben, deswegen hier nur ein paar kurze Anmerkungen zur Kontextualisierung von „Headcrack“, dem ursprünglich 1986 auf Nigel Ayers‘ Sterile Records veröffentlichten Album. Nachdem sich die Ende der 70er gegründete Ursprungsformation, die eine eigenartige Form von Progressive Rock spielte, aufgelöst hatte, gründete Paul Lemos die Band 1983 neu und mit „Knees and Bones“ und einer Reihe von Tapes (von denen kürzlich das ursprünglich auf Broken Flag erschienene „Distress Signals“ in erweiterter Form wiederveröffentlicht wurde) spielten Lemos, Chris Moriarty und Joe Papa einen u.a. von den Einstürzenden Neubauten inspirierten brachialen atonalen Industrial. Auf dem noch immer noisigen „Body Samples“ gab es dann allerdings schon Momente, die das Rohe und Rabiate der ersten Aufnahmen etwas zurückfuhren, aber mit „Headcrack“ wurde der Fokus in eine (noch) andere Richtung gelenkt, die die Band auf einer Reihe von weiteren Alben verfolgen sollte.

Als ich Controlled Bleeding Ende der 90er anlässlich ihres Auftritts im Berliner Knaack Club interviewte, erzählte Paul Lemos, dass SPKs Graeme Revell den Anstoß gegeben habe, Joe Papas opernhafte Stimme stärker einzusetzen, und „Headcrack“ beginnt dann auch mit dem passend betitelten „Vocal Chant 1“, auf dem Papas sakrale wortlose Intonation an einen gregorianischen Choral denken lässt. Auf einem Stück wie „Firelight“ wird eine simple Keyboardmelodie geloopt, während Papas Stimme im Hintergrund zu hören ist. „Letters To The Life Cycle Pt. 1” verknüpft flächige Keyboards mit Papas Gesang. Ein Stück wie „Music For Earth And Water“ nähert sich dem Ambient an. Auch die drei Teile des Titelstücks, das für „four guitars“ ausgelegt ist, oder das sphärische „Moonshards“, das mit einem Tongenerator namens The Muse aufgenommen wurde, sind melodisch und weit von den Dissonanzen früherer Aufnahmen entfernt. Neben diesen recht harmonischen Stücken gibt es aber auch Tracks wie etwa “Dry Lungs” – ein Titel, den Lemos für seine Reihe von  Zusammenstellungen von (Post) Industrial verwendete – , mit seiner stampfenden Perkussion und den Noiseschleifen, das ebenso wie das dissonante „Slithering Blade“ an frühere Aufnahmen denken lässt. Der das Album abschließende „Vocal Chant 2“ konzentriert sich zwar auch wie der Opener auf die Stimme, allerdings ist diese hier verfremdet und man muss etwas an frühe Current 93 denken. Die digitale Version der Wiederveröffentlichung enthält drei Bonustracks: Auf „Untitled 1“ verschwindet Papas Stimme inmitten von Noise und Perkussion. Das hysterisch-perkussive „Untitled 2“ antizipiert dann die Free(est) Jazz-Orgein, die Papa und Lemos als Breast Fed Yak einspielen sollten und „Untitled (The Missing Headcrack Piece – Remixed)“ ist eine verzerrte Noisenummer.

Erstmals ist „Headcrack“ nun wieder auf Vinyl erhältlich – in den 90ern erschien auf Dark Vinyl unter dem Titel „Songs From The Vault“ das Album mit einigen Bonustracks auf CD. Das Label Artoffact spricht davon, dieses Album sei „the most hopeful of Controlled Bleeding records“. Ob das tatsächlich so ist, sei dahingestellt, aber das Album enthält Momente dessen, was Lemos einmal als „semi-gothischen“ Stil bezeichnete und der auf Alben wie „Music For Gilded Chambers“ oder „Golgotha“ fortgeführt und perfektioniert wurde. (MG)

Label: Artoffact Records