CONTROLLED BLEEDING: Music For Gilded Chambers

Ich habe schon an anderer Stelle geschrieben, dass die Controlled Bleeding-Rezeption (hauptsächlich) auf drei musikalischen Strängen beruht: Da sind Controlled Bleeding als Vertreter von Musik als Destruktion (gängiger Strukturen), versinnbildlicht durch die Anfang der 80er gemachten Aufnahmen. Dann gibt es kommerzielle(re), auf Wax Trax erschienene Aufnahmen, die sich dem EBM annähern und m. E. ungleich langweiliger sind als viele andere Arbeiten der Band. Vielleicht würde Lemos das heute nicht mehr ganz so harsch formulieren, aber in einem 2002 veröffentlichten Interview bezeichnete er diese Aufnahmen als „prostitution projects“. Dann gibt es die Stücke/Alben, die Paul Lemos einmal als „semi-gothic“ tituliert hat – also die, die einen sakralen Charakter haben und auf denen Joe Papas opernhafter Stimme eine zentrale Rolle zukommt.

„Music For Gilded Chamber“ ist solch ein Werk und erscheint nun erstmals seit der Veröffentlichung auf Sub Rosa im Jahr 1988 in der ursprünglichen Form. Vorher war unter dem Titel „Songs From the Ashes“ das gesamte „Music From the Scourging Ground“–Album zusammen mit sechs Stücken von „Music for Gilded Chambers“ auf CD veröffentlicht worden.

Der Opener „Confirmation Part One“ wird von bombastischen, teils an Orgeln erinnernde Keyboardpassagen und wuchtiger Perkussion bestimmt. „Scourging Ground“ beginnt mit ruhigen Klavierpassagen, während Joe Papa „storms raging our lives“ intoniert. Im weiteren Verlauf kommen dramatische Chorpassagen und Pauken dazu. “Faith”, mit dem für damalige Controlled Bleeding ungewöhnlichen Saxophoneinsatz, knüpft ebenso wie das bombastische „A Silken Barb“ daran an. Stücke wie das achtminütige „Tides of Heaven“, “Byways”,  „The Vigil“ oder „Confirmation Part Two: Germany“ sind dagegen etwas kontemplativer. Was Lemos, Papa und Chris Moriarty gelingt, ist das Erzeugen einer Stimmung, auf der inmitten der Evokation des Vergehens (“this was the way our lives decayed”, heißt es auf „Scourging Ground“) sich der Hörer gleichsam aufgehoben fühlt und die Grundstimmung weniger düster als auf „Music from the Scourging Ground“ ist. Das ist natürlich viel Pathos, aber nie auch nur im Ansatz ein hohles.

Ein Merkmal von Controlled Bleeding war immer die unglaubliche Heterogenität – und das sowohl zwischen einzelnen Alben als auch innerhalb der jeweiligen Veröffentlichungen. „Music For Gilded Chambers“ ist dagegen was Stimmung und musikalische Ausrichtung anbelangt, ein unglaublich kohärentes und konsistentes Werk. Einzig das von Paul Lemos mit verzerrter Stimme vorgetragene „Healing Time“ scheint verglichen mit den anderen Stücken wesentlich aggressiver zu sein (und schaffte es zwei Jahre später als CD-Bonustrack auf Skin Chambers Debüt „Wound“). Hört man dieses Stück heute, fällt auf, dass es sicherlich dem einen oder anderen (weniger talentierten und inspirierten) Musiker als Blaupause für Martial Industrial-Stücke gedient haben könnte.

„[T]his was perhaps our best set of songs”, meint Paul Lemos zu dem Album. Diese musikalische Richtung sollten Lemos und Papa auf „Golgotha“, „Music For Stolen Icons II“ (als Paul Lemos and Joe Papa) und „Songs From The Shadows“ (unter dem Projektnamen In Blind Embrace ) weiter verfolgen, aber „Music for Gilded Chambers“ ist vielleicht wirklich das beste Album dieser “semigothischen” Phase der Band. (MG)

Label: Artoffact