Endlich erscheint das vor einigen Jahren aufgenommene und schon u.a auf dem Donausfestival 2011 aufgeführte Album der Zusammenabeit von David Tibet und den italienischen ZU. Man mag vielleicht vorschnell einen Vergleich zu Hypnopazuzu, Tibets Zusammenarbeit mit Killing Jokes Youth, ziehen (deren Debüt ebenfalls auf House of Mythology veröffentlicht wurde), aber während „Create Christ, Sailor Boy“ von einer orchestralen Opulenz geprägt war und sich -zumindest partiell – vielleicht noch am ehesten von Tibets Arbeiten der letzten Jahre am klasssichen Songformat orientierte, erinnert die Art des Vortrag(en)s auf „Mirror Emperor“ eher an „I Am The Last Of All The Field That Fell“ und andere Aufnahmen der letzten Jahre (passagenweise kommt einem das Myrninerest-Album in den Sinn).
ZU, die auf anderen ihrer zahlreichen Veröffentlichungen durchaus brachial klingen können, spielen dazu eine originelle Form von Kammermusik und die behutsame Instrumentierung lässt passagenweise an die Current 93 der 90er denken. Der Opener „The Coming Of The Mirror Emperor“ mit seinem Zusammenspiel von fingerpepickter Gitarre und Cello lässt sofort Erinnerungen an die Cashmore-Phase aufkommen. „Confirm The Mirror Emeror“ist mit seinen Bassspuren karger; die Cellos klingen dissonanter und untermalen den bis an die Grenze zur Hysterie sich steigernden Gesang Tibets angemessen. Dagegen ist das von dunklen Cellopassagen durchzogene „Enters The Mirror Emperor“ ein Moment des Innehaltens. Das Zusamenspiel von Akustikgitarre und Cello auf „To The Mirror Emperor“ lässt kurz Erinnerungen an das „Black Ships Ate The Sky“-Album aufkommen. Dann setzt eine verrauschte E-Gitarre ein, bevor das Stück mit dramatischen Streicherpassagen ausklingt. Expermenteller ist „The Heart Of The Mirror Emperor“, das mit Stimmsamples beginnt, Drones setzen ein und Tibets Vortrag wird nur von einzelnen Tönen untermalt. „(The Absence Of The Mirror Emperor)“ ist vielleicht mit dem Strumming und Tibets Gesang das zugänglichste Stück des Albums. „Before The Mirror Emperor“ ist ein fast schon pastorales Stück, während das instrumentale „(The Mirror Emperor Is Absent)“ aus Knistern und Windgeräuschen besteht.
Tibet hat jüngst in Cathode Love einen Einblick in die Genese der vor einigen Jahren erschienenen „Birth Canal Blues“-EP gegeben: „[H]ow the words gather together in my head and heart, and how they fall onto the page“. Man hat zum Teil den Eindruck, dass die Anmerkungen, die sich dort finden – ähnlich wie bei Eliots “The Waste Land” – das Verständnis sowohl erhöhen als auch gleichzeitig eine weitere (schwer durchdringbare) Bedeutungsebene hinzufügen. An anderer Stelle habe ich einmal geschrieben, dass Tibets Texte manchmal so klingen, als habe der „späte(re) Pound sich an Blakes prophetischen Büchern versucht“ und auch “Mirror Emperor” ist voller opaker Chiffren, bei der auch die Syntax in Auflösung begriffen ist, um etwas komplett Eigen(willig)es zu (er)schaffen: „I loved you foreign above me down star/Tell me night tight do not end/Waltz passing by in the Hamburg fret/Hallu starts hallu above me confirm/The Mirror Emperor/No: till wheat tomorrow till corn dove“. Es tauchen bekannte Themen und Motive auf: „MagicK Cats“, antike Städte/Stätten („Uruk“) und natürlich findet man auch hier wieder das Zusammentreffen von Erhabenem und Profanem, etwa denn wenn am Ende von „(The Absence Of The Mirror Emperor)“ fast schon lapidar gefragt wird: „Hey, was that the apocalypse?“
Hier werden wirklich Welten erschaffen, diese „knuckle cracks into space“ (er)öffnen einen Kosmos, in dem man sich nicht immer zurechtfindet bzw. zurechtfinden kann, der aber in seiner Eigenwilligkeit und Originalität seinesgleichen sucht. (MG)
Label: House of Mythology