THE VEGETABLE ORCHESTRA: Green Album

Auf dem neuen Albumcover des in Wien lebenden Vegetable Orchestra prangt passend zur Jahreszeit ein dicker Kürbis, allerdings ist auf dem “Green Album” kein zu spät gekommener Helloweenspuk zu hören, sondern ein buntes Potpourri an launig angejazzten Ethnoklängen, die einen rund um den Erdball jagen, von den Anden über die Südsee bis in den Nahen Osten und den grünen Gürtel des “dunklen Kontinents” – nicht ohne kleine Abstecher in die urbanen Zentren der westlichen Welt.

Zur Grundausstattung des Instrumentariums gehören an erster Stelle organisch klingende Blas- und Perkussionsinstrumente. Erstere reichen von flötenartigen Geräten, die klanglich irgendwo zwischen Panflöten und Orgelpfeifen rangieren und im Opener “Szemenye” zweistimmige, repetitive Muster entwerfen, die allzu europäische Ohren – stimmungsabhängig – nerven könnten, wäre da nicht ein schalkhafter Humor zu spüren, der sich im Übrigen durch das ganze Album zieht. In “Beet-L” und noch mehr in “Schwarzmosskogel” erklingen orientalisch anmutende Melodien auf schräg pfeifenden oder kraftvoll in die Tiefe dringenden Blasinstrumenten, die hierzulande weitgehend unbekannt scheinen. Vielleicht eine archaische Vorform von Duduk oder Nei, der im vorderasiatischen Raum so beliebten Doppelblattinstrumente? Oder lässt bei den hohen Tönen vielleicht doch einfach jemand Luft aus einem Ballon? Und trötet jemand in “Internal Crisis” schicht auf einem Kamm?

Zweiteres, also die Perkussion, erfolgt in Form von holzigem Rattern und Schaben sowie kleinteiligem Gerassel, das mit Bläsern und anderem Material gerne in polyrhythmischen Dialog tritt oder mit dem Raumklang spielt wie duzende Holzkugeln, die in einer enormen Schüssel von links nach rechts und zurück rollen. Immer wieder laden minimale, stets organisch nach Holz und Leder klingende Takte zum Tanz, bisweilen steigern sich die Rhythmen ganz nach Art der Minimal Music im Tempo und in ihrer Komplexität, und bisweilen scheint es, als höre man ein marimba- oder hackbrettartiges Instrument, das Rhythmus und Melodie kombiniert. Manche Takte wie die in “Flagiatore” scheinen mit Saitenanschlag kreiert und erinnern in ihrer etwas trunkenen Schwingung an ostasiatische Lauten. Eine weitere Kategorie bildet mysteriöses Blubbern, das sich wie in “Fasern” mal nach Froschquaken, mal nach menschlichen Stimmen anhört und weitere weirde Sounds, die an ein hektisch-elektrisches Vogelkonzert erinnern, stellenweise auch purer Noise.

So oder so ähnlich könne man beim unbedarften Hören die Musik auf dem “Green Album” beschreiben, aber man muss schon fest auf beiden Ohren sitzen, um nicht zu bemerken, dass hier noch etwas ganz anderes im Gange ist. Bei genauerem Hinhören entsteht schnell der Eindruck, dass beinahe alles nach unbekannten, für den Instrumentenbau nur selten verwendeten Materialien klingt, die der Musik einen leicht provisorischen, dabei aber ausgesprochen originellen Sound geben. Und genau dort liegt der Kohl im Pfeffer, denn das zehnköpfige Ensemble spielt seit mittlerweile zwanzig Jahren nur auf selbstgebauten Instrumenten, die ausnahmslos – und das Vorgängeralbum “Onionoise” war da noch unmissverständlicher betitelt – aus Gemüse gefertigt sind. Junge Zwiebeln werden zu Oboon umfunktioniert, Zucchini und Karotten verwandeln sich in Flöten, werden nach Bedarf noch mit einer ausgehöhlten Paprikaschote als Resonnanzkörper versehen, der große Kürbis wird zur Bassdrum, Flaschenkürbisse aufgrund ihrer Form vielseitig eingesetzt, aus einer Gurke wird durch ein paar Eingriffe ein Gurkeridoo. Salatköpfe und Zwiebelschalen werden nach alter Soundart-Manier mit Kontaktmikros versehen und zu urigem Noise verrieben, etliche andere Kulturpflanzen kommen in ihrer Rohform zum Einsatz, das einzige nicht pflanzliche Instrument ist eine Windmaschine.

Es gibt nicht viele Musikarten, die guten Gewissens einen etwas angenutzten Begriff wie “experimentell” für sich beanspruchen können, aber da müsste sich das Gemüseorchester nicht genieren, übrigens auch nicht wegen etwaiger Lebensmittelverschwendung, denn nach jeder Session wird das komplette Instrumenarium, trotz Spucke, zu einer Suppe verkocht und rituell verspeißt. Man könnte das ganze nun als interessant einstufen und den selbstironischen Humor anerkennen – wäre da nicht die Qualität der Musik und der warme, ungewohnte Sound des Ganzen, die auch unabhängig vom Material einen höchst kurzweiligen Hörgenuss garantieren. (U.S.)

Label: Transacoustic Research