WILLIAM BASINSKI: On Time Out Of Time

Letztlich sind fast alle Arbeiten William Basinskis Auseinandersetzungen mit (dem Wesen) der Zeit. Was die Zeit alles zersetzen kann, spielte eine zentrale Rolle in Basinskis wohl bekanntestem und inzwischen auch schon mehrfach orchestral aufgeführten Werk „The Disintegration Loops“ und auch der Titel seiner Bowiehommage machte dies deutlich.

„On Time Out Of Time“ basiert diesmal nicht auf Tapeloops aus Basinskis extensivem und scheinbar unerschöpflichem Archiv, sondern das klangliche Ausgangsmaterial, das er bearbeitete, kam diesmal von sehr weit her, handelt es sich doch um das Geräusch zweier miteinander verschmelzender schwarzer Löcher oder wie Basinki es etwas salopp formuliert: „I imagine this piece is about what happens when two black holes fuck.“

Die Arbeit war ursprünglich konzipiert für eine Installation der beiden Künstler Evelina Domnitch und Dmitry Gelfand im Rahmen einer im Berliner Gropiusbau stattfindenden Ausstellung, in der es um die Grenzen des Wissens ging. Der Begriff „unvorstellbar“ wird zu häufig und zu inflationär gebraucht, oftmals um sein Entsetzen darüber zum Ausdruck zu bringen, was der Mensch gerade wieder einmal dem Menschen angetan hat, wobei dabei bewusst übersehen wird, dass solch etwas “Unvorstellbares” eben stattgefunden hat, weil es sich ein Mensch vorstellen konnte.

Das Verschmelzen zweier schwarzer Löcher mag man sich visuell – gespeist aus dem Bild- und Zeichnrepertoire zahlreicher Filme – noch irgendwie vorstellen können, was allerdings tatsächlich unvorstellbar, diesmal im wahrsten Wortsinne unbegreifbar ist, ist die Zahl der 1,3 Milliarden Jahre, vor denen dies geschehen ist. Die Gefühle, die sich bei solch einer ungeheuren Zahl einstellen, können natürlich unterschiedlichster Natur sein: Man kann von der Schönheit des Universums fabulieren, aber wenn man ehrlich ist, sollte man es eher mit Pascal halten: “Ich sehe überall nur Unendlichkeiten, die mich wie ein Atom und wie einen Schatten einschließen. Alles, was ich erkenne, ist, daß ich bald sterben muß; doch was ich am wenigsten begreife, ist gerade dieser Tod, dem ich nicht entgehen kann.“ Es ist auch sicher kein Zufall, dass der “Einsiedler aus Providence”, der zu einem Chronist menschlicher Insignifikanz wurde, von Astronomie fasziniert war, seit er zwölf Jahre alt war.

Es wäre interessant, wenn man das von Basinski bearbeitete Ausgangsmaterial hören könnte, um zu sehen, wie der seit einigen Jahren in Los Angeles lebende Komponist damit umgegangen ist. Wie auch immer: Das Endresultat ist ein weiteres beeindruckendes Mosaikstück in seinem Werk: Das 40-minütige Titelstück besteht aus hohen, sehr melodischen Drones, die das Stück wie eine kosmische Symphonie klingen lassen, die im weiteren Verlauf reduzierter wird. Nach der Hälfte scheint eine traurige Melodie aufzutauchen. Kondensiert findet sich das auf dem verhältnismäßig kurzen zweiten Track „4(E+D)4(ER=EPR) “. (MG)

Label: mmlxii / Temporary Residence