In der allgemeinen Vorstellung ist die große Zeit der Psychedelik immer noch sehr an die Hippiekultur mit all ihren Nettigkeiten gekoppelt. Verwegenheit, Wagemut, Machismo und ein Schuss cooler Zynismus haben darin wenig Platz und sind als Kehrseite des Idylls doch wichtige Bestandteile des ganzen Phänomens, das damit ein gutes Stück näher an seine Wurzeln im Rock’n'Roll kommt. Albin Julius und seine Infinite Church of the Leading Hand sind seit einer gefühlten Ewigkeit zweierlei – zum einen passionierte Retronarren, die vom Mittelalter über martialische Filmscores bis zu Kraut- und Spacerock einen weiten und z.T. widersprüchlich anmutenden Weg zurückgelegt haben, zum anderen leidenschaftliche Störenfriede, bei denen das Staubaufwirbeln zum guten Ton gehört. Manchmal braucht es solche Leute, um rückblickend das Bild einer Subkultur vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Lieber an einem anderen Ort oder nirgends, bloß nicht hier – mit ihrem Titel, dessen Nähe zu einem Pink Floyd-Album bereits erkannt wurde, zielt die Combo auf Kompromisslosigkeit, und das wagemutige Sich-Einlassen, das in den wenigen verständlichen Wortfetzen des plakativ „evil“ betitelten Openers zum Ausdruck kommt, scheint so etwas wie die Essenz des Longplayers zu enthalten. Ebenso die Musik: Die elektrifizierte Sängerin, die trancehaften elektronischen Takte, die so erstmals in der EP mit White Hills zu hören waren, die knarzig vorankriechenden Gitarren und das trockene Wüstensetting, aus dem jede Mittelaltermelodik verschwunden ist, die bis zuletzt im Kleinen spürbar war. Wie in einem wortkargen Spätwestern wird hier nichts verklärt, nichts verdammt, nichts unter den Teppich gekehrt.
Im abstrakt dröhnenden Titelstück, in dem man das Erbe der Velvets und tausender No Wave- und Stonerbands hinter den verzerrten Soundschichten zu halluzinieren meint, deklamiert die Sängerin, die als Frontfrau längst über den Schatten des Bandleaders hinausgewachsen ist, einen sachlich kühlen Sprechgesang, der fast in Rap zu kippen scheint. Ähnlich stoisch die hypnotisierenden Vocals, die in „Make me see the light“ mit der melodischen Musik kontrastieren. Dionysisch (oder diabolisch) entgrenzt dagegen das von Trommelwirbeln aufgepeitschte (und später von rituellen Handdrums aufgelockerte) „Forgotten“, und auf gänzlich andere Art „Just because I can“, bei dem die evokative Stimme Marthynnas wie im Fieber „just because I can I lay my hands on you“ über verwaschenes Saintenbrummen und die kurzen Karambolagen des Downtempotaktes sendet.
„My soul rests free“ ist m.E. das Herzstück des Albums: Nach einem ambienten, “kosmischen” Auftakt leiten an Diamanda Galas erinnernde Beschwörungen über in ein wildes Freakout, bei dem scheinbar alles einen Willen zur Transzendenz ausdrückt. Wish I weren’t here – der Wunsch scheint bestens erfüllt. Durchaus präsent ist die Combo aber bald auf europäischen Bühnen, mit Koblenz (20.04.), Jena (21.04.) und Wien (22.04.) kommt auch der deutschsprachige Raum auf seine Kosten.
Label: WKN