Es ist vielleicht kein Zufall, dass die vorliegenden Aufnahmen das Licht der Öffentlichkeit in einem April erblickt haben, dem “cruellest month”, der Blumen aus noch toter Erde sprießen lässt und mit seinem Zusammenprall aus Erinnerung und Begehren, aus Morbidem und Vitalem immer wieder empfindsame Gemüter verstört. Mit dieser Beschreibung beginnt T.S. Eliots 1922 veröffentlichtes Langedicht The Waste Land, eine der düstersten Bestandsaufnahmen der Moderne und des verwüsteten Europa nach dem Ersten Weltkrieg.
In seinen über vierhundert Versen, die reich an biblischen, mythologischen und historischen Referenzen sind und gerade deshalb umso mehr wie ein Haufen zerbrochener Bilder anmuten, findet sich ein tragischer, bei genauem Hinsehen durchaus feierlicher Ton, der aber – teilweise auf den Einfluss von Eliots Freund und Dichterkollege Ezra Pound zurückgehend – ganz ohne sentimentalen Schwulst auskam und damals in seiner Trockenheit avantgardistisch wirkte.
Auch diesem Aspekt trägt der französische Komponist Denis Frajerman Rechnung in seiner Hommage an den Text, den er im hier umgesetzten Libretto in Auszügen vertont. Wie ein Mantel legt sich ein Ensemble klassischer Instrumente um die Stimme Susannah Rookes, die mit ihrer auf den ersten Blick introvertierten, tatsächlich aber kraftvoll-stoischen Stimmarbeit den spröden Charakter des Textes betont und Bildern von “fear in a handfull of dust” und “broken fingernails of dirty hands”, von “feeling neither living nor dead” gerade deshalb eine besondere Eindringlichkeit gibt. Dabei gerät ihr Vortrag keineswegs monoton und eindimensional, und in besonders emotionalen Passagen weiß ihre Stimme erschöpft und heiser zu klingen oder erlaubt sich einen leicht aggressiven Unterton. Die meist vom Cello bestrittenen Auftakte, die bisweilen einem Trauermarsch ähnelnde Perkussion, das hypnotische Finger Picking auf der Gitarre, die klagenden Violinen und helle Kleckse des Sopran-Saxophons – all dies ist keineswegs Kulisse, tritt vielmehr mit Rookes Rezitation in einen vielstimmigen Dialog.
Die vier auf The Waste Land basierenden Tracks hätten von der Dauer her allenfalls für eine EP gereicht, doch Frajerman kann aus einem üppigen Pool an Stücken schöpfen, die alle in den letzten Jahren für Compilations eingespielt wurden und so quasi einen doppelt so langen Anhang bilden. Da sich aus seinem Interesse an orientalischen Melodien und Rhythmen automatisch ein roter Faden ergab, benannte er den zweiten Teil der CD nach David Leans berühmtem Film Lawrence of Arabia.
Mit minimalen Klavierakkorden, rasselnden Takten und den mystisch verwehten Violinparts von Claude Chalhoub entstanden mit dem Minimal Compact-Cover “Clock Bird” und “Express” zwei Stücke, bei denen man denken könnte, die italienischen Stoner-Orientalisten La Piramide Di Sangue hätten sich an den kaukasischen Folkkompositionen von Gurdjieff und De Hartmann versucht. Aus dem immer noch heterogenen Sammelsurium stechen einige Tracks heraus, so das episodiche Klagelied “Captain Nemo’s Death” oder das kurze Interludium “Nostalgy”, dessen von smoothem Saxophonspiel begleitete spanische Gitarren an Matt Elliott denken lassen. Oder das dramatische “Rainbow Sky Abessinian”, über dessen klagenden Steichernparts eine unheimliche Stimme ins Ohr flüstert, das anrührende Cembalo-Stück “Choleoptia” und das Amon Düül II-Cover “Wie der Wind am Ende einer Straße”, die beide gut in einen Gialloscore gepasst hätten.
Eine dezente Melancholie durchzieht die insgesamt vierzehn Tracks, die alle von meist warmen Klangfarben und einer feierlichen, ernsthaften Stimmung geprägt sind. All dies fungiert wie eine Klammer, die diese eigentümliche Sammlung zwischen Album und Compilation zusammenhält und am Ende doch wie einen zusammenhängenden Kosmos wirken lässt. (U.S.)
Label: Klanggalerie