LAURA CANNELL / POLLY WRIGHT: As The Crow Flies

Auf zahlreichen Veröffentlichungen hat die britische Komponistin  Laura Cannell in den letzten Jahren eine teils dunkle, an Drones angelehnte Musik gespielt, in deren klanglicher Fokus oft ihre Geige oder Flöte stand – jüngst noch bei ihrem Versuch Sphärenmusik zu spielen. Oft war sie von früher Musik beeinflusst. So zog sie  Inspiration aus mittelalterlichen Fragmenten, u.a. von Richard Löwenherz und Hildegard von Bingen – und letztere kommt bei „As The Crwo Flies“ auch kurz in den Sinn.

Auf ihrer Zusammenarbeit mit Polly Wright wird gänzlich auf Instrumente verzichtet, stattdessen rücken die beiden die Stimme(n) ins Zentrum. Live in einem einzigen Take als „Vocal instant composition“ in einer 1000 Jahre alten Kirche an der Grenze von Norfolk und Suffolk aufgenommen und ursprünglich als Audioskulptur konzipiert, ist „As The Crow Flies“ ein durchweg außerweltiches Hörerlebnis.

Die beiden verspürten eine gewisse Frustration darüber, dass weibliche Stimmen (sicherlich in jedem Wortsinne verstanden) im Schrifttum und in Musik der Region fast völlig abwesend waren. Insofern kann man „As The Crow Flies“ sicher auch als (Wieder-)Aneignung verstehen, als Versuch den Marginalisierten im wahrsten Wortsinne rückwirkend eine Stimme zu geben. Textpassagen stammen u.a. aus dem im 19. Jahrhundert veröffentlichten Band ‘Norfolk Garland, A Collection of the Superstitious Beliefs and Practices, Proverbs, Curious Customs, Ballads and Songs, of the People of Norfolk.’

Das zweiminütige „One For The Rook, One For The Crow“ besteht lediglich aus der Zeile „One for the Rook, One for the Crow and Two for the Master“, die fragmentiert immer wiederkehrt. Die Stimmen der beiden intonieren Silben, Wörter, so dass der Text verschwimmt, sich fast auflöst. Auf „Help Me To Salt Help Me To Sorrow“ scheinen ihre Stimmen aus dem Äther zu schallen, zu verschwinden. Und bei diesem Stück kommt man nicht umhin an den Ort der Aufnahmen zu denken, an das Echo und den Hall, die der Kirche innewohnen. Im Titelstück antworten die Stimmen einander. Worte und Wörter setzen an, kehren wieder. Die Musik hat etwas Sakrales („Marsh Village Psalms“) und man meint manchmal tatsächlich „Marshland Banshees“ zu hören. Im Video zum Album mit der Darstellung einer verschwommenen Autofahrt durch das ländliche England bekommt man fast den Eindruck als hätten Dead Can Dance sich entschieden, eine Robert Aickman-Verfilmung zu vertonen. Prinzipiell kann das Album sicher dann auch von denen goutiert werden, die den augenblicklich so angesagten Folk Horror schätzen, denn der Musik haftet durchgängig etwas Unheimliches, Unwirkliches an. (MG)

Label: Brawl Records