LEONARD COHEN: Thanks For the Dance

Oftmals wird mit dem Nachlass von Künstlern bestenfalls nachlässig, häufig aber fahrlässig umgegangen: Es wird sich noch zeigen, wie nach den ersten Veröffentlichungen weiter mit Prince’ gigantischem Archiv verfahren wird, über eine ganze Reihe von Coil-Tonträgern der letzten Zeit bette man besser den Mantel des (Ver-)Schweigens.

Leonard Cohen war nach seiner ursprünglich erzwungenen Rückkehr auf die Bühnen, die der Veruntreuung seiner Ersparnisse durch seine Managerin geschuldet war, sehr umtriebig. Er konnte riesige Arenen füllen und hätte seine Rentenkasse sicher mit den Erträgen dieser Konzerte und dem einen oder anderen Livealbum locker füllen können, stattdessen begann eine der produktivsten Phasen seiner langen Karriere und es entstanden in – für ihn – relativ kurzer Zeit drei Studioalben, die das mediokre „Dear Heather“-Album schnell vergessen ließen. „You Want it Darker“, im Herbst 2016 zwei Wochen vor seinem Tod veröffentlicht, war ein – dem Titel entsprechend – dunkle(re)s Album, das die Trias klimaktisch abschloss und auf dem der Schnitter omnipräsent war: „At first he touched on love/But then he touched on death“, hieß es dort, ein Synagogenchor erklang und Cohen sang „I am ready my Lord“. Was kann also nach so einem in jedem Wortsinne verstandenen Abschied noch kommen, was nicht antiklimaktisch wäre?

Sein Sohn Adam hat einige halbfertige Stücke aus den letzten Aufnahmesessions mit einer Reihe von ehemaligen Weggefährten seines Vaters fertiggestellt. Adam Cohen hatte schon „You Want It Darker“ produziert und war maßgeblich am Klangbild dieses Albums beteiligt, insofern ist er vielleicht nicht der Ungeeignetste, um letzte Verse und ein letztes Singen musikalisch untermalen zu lassen.

Was auffällt, ist dass zwar auch hier die brutale Faktizität des Alter(n)s und Sterbens thematisiert wird, wie z.B. auf dem im Vorfeld veröffentlichten einminütigen „The Goal“: „I can’t leave my house/Or answer the phone/I’m going down again“. Hier wird der Tod als etwas Unvermeidliches gesehen: „As for the fall – it began long ago/Can’t stop the rain/Can’t stop the snow“ (schon Philip Larkin schrieb bezogen auf das, was uns alle erwartet: „Most things never happen/This one will“). Auf “The Hills” heißt es: „I’m living on pills/For which I thank G-d“. Dabei lässt sich auch der Albumtitel durchaus im übertragenen Sinne lesen, als Abschluss eines Lebens, über das es in den ersten Zeilen des Albums -in typischer Cohen’scher Manier selbstironisch – heißt: “I was always working steady/But I never called it art/I got my shit together/Meeting Christ and reading Marx”.

Viel stärker als auf dem Vorgänger geht es aber auf “Thanks For The Dance” um das, was Cohens Texte von Anbeginn an durchzogen hat: Eros, Sex, um das, was mit dem Herzen geschieht, wie es im Opener „Happens To The Heart“ beschrieben wird: „There’s a mist of summer kisses/Where I tried to double-park/The rivalry was vicious/The women were in charge“. An anderen Stellen wird der physische Aspekt des Liebens und Begehrens noch deutlicher: „I touched her sleeping breasts/They opened to me urgently/Like lilies form the dead“ („The Night Of Santiago“ – eine Adaption eines Gedichts seines großen Heroen Lorca, nach dem er auch seine Tochter benannte). Wenn er auf dem Titelstück singt “It was fine it was fast/We were first we were last/In line at the Temple of Pleasure”, dann wird hier auch der Geschlechtsakt quasi metaphysisch aufgeladen.

Die Instrumentierung ist fast durchgängig behutsam. Der langjährige Gitarrist Javer Mas lässt mit seiner gezupften spanischen Laute an Teile des Frühwerks denken, gerade auf dem starken Opener “Happens To The Heart”. Die griechisch anmutenden Gitarren zu Beginn von „Moving On“ lassen an Cohens Zeit auf Hydra denken und den Text änderte er wohl auch leicht ab, nachdem er vom Tod der ehemaligen Geliebten Marianne Ihlen erfahren hatte. Der Chor seiner Synagoge untermalt “Puppets”, das politischste Stücke des Albums, auf dem Cohen singt: “German puppets burned the Jews”. Das karge Piano auf „The Goal“ passt zu Zeilen wie „No one to follow/And nothing to teach/Except that the goal/Falls short of the reach“. Das wären eigentlich passende Schussworte gewesen, allerdings endet das Album mit „Listen To The Hummingbird“, das auf einer Gedichtrezitation Cohens während seines letzten öffentlichen Auftritts basiert.

Insgesamt erreicht das 29-minütige Album sicher nicht diese finale Dichte von „You Want It Darker“, aber als Coda zum letzten Album ist es sicher nicht das schwächste posthume Album eines Künstlers. (MG)

Label: Columbia