Zu den vielen Impulsen, eine künstlerische oder musikalische Arbeit zu erschaffen gehören – natürlich – auch persönliche Erfahrungen und intensiv erlebte Abschnitte der Biografie, auch wenn dies nicht immer bewusst vonstatten geht und zur Programmatik erhoben wird wie im Fall von Matteo Uggeri. Der Musiker, den viele unserer Leser von seiner Band Sparkle in Grey und deren Kollaboration mit Controlled Bleeding kennen, verarbeitet auf “The Next Wait” die Zeit unmittelbar vor der Geburt seines ersten Kindes und die vielen Umstellungen, die diese Umbruchsphase für ihn und sein als spielerisch verstandenes Musikerdasein bedeutete.
Jetzt könnte man das Ganze als nebensächliche Trivia betrachten und sich stattdessen nur auf die Musik konzentrieren, doch Uggeri stellt den thematischen Rahmen neben diese ins Zentrum und gestaltet das Album mittels Tracktitel, Samples und Textmaterial als eine zeitliche Episodenfolge, die ihren Ausgangspunkt da nimmt, wo die Umstellung fast schon als fataler Endpunkt erlebt wird. “A Lot of Last Things to Be Done…” das neben plätscherndem Wasser und gackernden Hühnern mit einem gesummten Kinderlied beginnt, lässt eine ambivalente Stimmung entstehen, indem das nette siestaartige Picking der locker gespannten Gitarrensaiten immer unbestimmter und rauer, der anfangs einlusslende Gesang immer klagender wird. Feldaufhahmen von keuchenden und ratternden Sounds, die wie aus dem Kreissaal wirken, und mysteriöse schritte auf Kies lassen “Attesa” mehr wie ein Film ohne Bild als wie ein Hörspiel wirken, und auch der dunkle, eindringliche Gesang von Gastsängerin Dominique Van Cappellen-Waldock bringt keine Klarheit in das düstere Szenario.
Im Zentrum der Platte steht eine Neuinterpretation von “Family Man”, der Titeltrack des Black Flag-Albums von 1984 Aus dem rebellischen Spoken Words-Track über das Ende des Rock’n'Roll aus dem Geiste der Kastration und des Familienidylls wird, u.a. durch nur leichte Modifikationen des Textes, eine derangierte Ballade aus dem Blickwinkel der Frau, die den Swinging Man im Family Man ganz illusionslos weiterleben lässt.
In gebrochener Besinnlichkeit, mit dem mal darkjazzigen, mal kristallin hochtönenden Piano des Japaners Mujika Eisel und smoothen Drones lassen die Tracks der zweiten Seite, auch wenn sie die rumpelnden und plätschernden Samples des ersten Teils mitnehmen, die Szenenfolge zwar ohne Kitsch, doch auch ohne Frust ausklingen. (A. Kaudaht)
Label: Infraction