Wenn man Flavio Bonomettis “Vortice Rosso” hört, kommt einem vielleicht als letztes in den Sinn, dass es sich dabei um ein Debüt handelt. Genau genommen ist es das, zumindest hat der italienische Komponist hier erstmals ein Album in eigener Regie aufgenommen. Allerdings geschah dies mit einem enormen Erfahrungsschatz im Gepäck, den man den 12 mit einem üppigen, orchestralen Instrumentarium eingespielten Tracks auch durchweg anhört.
Bonometti ist von Haus aus Bratschist und spielte viele Jahre im Ensemble der Mailänder Scala und anderen Opernhäusern. Vor über zehn Jahren richtete sich sein Interesse immer mehr auf das Medium Musik jenseits des theatralischen Rahmens, und schon bald entstanden zahlreiche Kompositionen, von denen sich auch auf der vorliegenden CD einige Beispiele finden.
Um die stimmungsmäßige DNA “Vortice Rossos” zu erfassen, sollte man sich auf die vielschichtige Gestalt der Musik in der gebührenden Ruhe einlassen, denn die ist von zahlreichen Brüchen, Wechselbädern und vermeintlichen Widersprüchen geprägt: im Tempo, in den Rhythmus, den Klangfarben und der veränderlichen Fülle der Stücke. Schon der wie das Album betitelte Opener wirkt tatsächlich wie ein undefinierbarer Strudel, die einleitenden Pauken deuten es in ihrer Unregelmäßigkeit schon an, und dass das Stück sich kaum auf eine melancholisch zurückgenommene oder eine dramatisch nach vorn preschende Stoßrichtung einigen kann scheint Programm und verleiht der Musik eine besondere Spannung. Wie im neu aber kongenial eingespielten Soundtrack zu einem imaginären Stummfilm wird man mittels abrupter Resets und Passagen, die wie im Zeitraffer wirken, in Spannung gehalten und fühlt sich wie in einem Mysterienspiel, bei dem man einer wie auch immer gearteten Lösung entgegenfiebert.
Wenn einem eines auf “Vortice Rosso” schwer gemacht wird, dann ist es ein selbstvergessenes Schwelgen im durchaus üppig vorhandenen Wohlklang. “Cerchio”, dessen Titel Kreis oder Zirkel bedeutet und schon eine hermeneutische Herausforderung darstellt, verströmt eine nostalgisch eingefärbte Wehmut, doch eine aufwühlende Unruhe gestattet einem kaum, sich darin heimelig einzurichten. Ursprünglich war das Stück für eine Ballettaufführung konzipiert, und es wäre interessant, eine tänzerische Umsetzung zu sehen. Das längere “Eutimia” ergreift einen mit wohlwollenden, hochziehenden Streicherparts, führt dann aber durch ein sehr komplexes, wechselvolles Narrativ, das in dem vordergründig heiteren, aber drängenden “Obliquo” ebenso wiederkehrt wie in dem zwischen infernalischem Gewitter und sanften Passagen mit Pianotupfern changierenden “Dove”. “Riflessi nell’uni Verso” wirkt wie eine genügsamere Variante dessen, aber auch hier trügt der Schein, denn hier wehr ein rauer Wind durch den Raum, in dem sich Undefinierbares zusammenbraut.
In der von Wehmut durchdrängten Heiterkeit des abschließenden “Arturello”, eine Hommage an den Sohn des Komponisten, scheint sich die Essenz, das wie ein schwermütiges Chipre-Parfum durftende “Acqua Essenziale” zu offenbaren, die der ganzen Platte innewohnt – eine tiefe Freude, die wie in William Blakes Sprichwort nicht lacht. (U.S.)
Label: Putojefe Records