Etwas mehr als vier Jahre ist es nun her, dass die schottischen The Hare And The Moon das Ende ihrer Aktivitäten bekanntgaben. Wäre es danach wirklich still geblieben um deren Gründer Grey Malkin, würde man sich heute wahrscheinlich an sie erinnern wie an einen langsam verblassenden surrealen Traum und sich fragen, ob es sie je wirklich gab. Die Obskurität der Mitglieder, die niemals ihre Namen und Gesichter preisgaben, vor allem aber die ebenso ungreifbare Musik, deren Mixtur als Filmscores, dunklem Ritualismus und den unheimlichen Seiten britischer Folk-Traditionen, trugen ihren Teil zu dem geheimnisvollen Image der Gruppe bei, die bei all dem nie prätentiös auftrat. Dass Grey Malkin, der nach der alten Bezeichnung für eine Katze zunächst ein Album und irgendwann auch sich selbst benannte, immer noch einiges mitzuteilen hatte, erkannten auch seine Freunde, und so kam auch auf Drängen anderer sein eigenes Projekt ins Rollen, das v.a. durch Kollaborationen (mit Trappist Afterland, Astoreth und Kitchen Cynics) und als Teil neuer Bands (Embertides, Meadowsilver, Widow’s Weeds, The Black Swan Triad) von sich reden machte. Malkins hat in seiner Musik stets die einmal von Alan Trench geäußerte Forderung “to fuck up tradition” ganz selbstverständlich beherzigt und dabei vieles vorweggenommen, was andere später als Folk Horror oder Hautology propagieren sollten. Dass seine eigenen Interessen weit über all dies hinausgehen, zeigt u.a. diese Musikauswahl, seine zahlreichen Referenzen wären Stoff für ein ganzes Buch. Über all dies und mehr sprachen wir in unserem neuen Interview.
Als du vor über zehn Jahren deine Band The Hare And The Moon gegründet hattest, warst du schon schon lange Musik-Enthusiast, und soweit wir wissen, umfasste dein Geschmack Metal, elektronische Musik, Folk und wahrscheinlich noch viel mehr. Welche Impulse brachten dich dazu, die cinematischen Folk-Soundscapes aufzunehmen, für die du bekannt bist?
Ich denke, es war eine Mischung aus persönlichen Vorlieben und der völligen Unfähigkeit, eines meiner Instrumente richtig zu spielen. Was Ersteres betrifft, so denke ich, dass die Jahre, in denen ich Künstler wie Swans, Coil und Popol Vuh gehört habe, mich sicherlich in Richtung einer eher cineastischen oder filmischen Ausrichtung gelenkt haben, oder mir eine Tendenz eingeflößt haben, das zu bevorzugen, was man als Stimmungsstücke beschreiben könnte. Ich bevorzuge die Atmosphäre oder das Erzeugen eines akustischen Sinns oder Gefühls, statt irgendwelcher Vorstellungen von Virtuosität oder einem schnörkeligen, aufwändigen Spiel. Das ist für mich unendlich viel interessanter. Die Tatsache, dass ich auch nach all den Jahren nicht richtig Gitarre, Mandoline oder Keyboard spielen kann, hat dazu geführt, dass ich mir genau überlegen muss, wie ich einen Track aufbaue und schichte, anstatt direkt musikalisch zu sein. Ansonsten, und das ist nichts unbedingt Schlechtes, würde sich wahrscheinlich alles nach Judas Priest anhören.
Würdest du sagen, dass es damals eine gewisse (stilistische oder atmosphärische) Lücke zu füllen gab?
Es ging mir nicht wirklich darum, irgendeinen Raum oder eine Lücke zu füllen, ich wollte einfach meine Einflüsse zusammenbringen, sei es Film, Musik oder Literatur; auch hier war ich aufgrund meiner sehr begrenzten Fähigkeiten in meinen Klangmöglichkeiten eingeschränkt. Das allererste The Hare & The Moon-Album ist fast trocken und in einem Kanal direkt auf Band aufgenommen worden, ich hatte keine Ahnung von Effekten oder richtigem Abmischen, geschweige denn von Mastering oder irgendetwas von dieser ‘professionellen’ Herangehensweise! Deshalb ist es seltsam und (ich hoffe, liebenswert) schräg, und die meisten Songs enden, wenn meine Arme zu wund sind, um weiterzuspielen. Es gab kein Streben danach, “Folk-Horror” zu sein, ein Begriff, der damals noch nicht so weit verbreitet war wie heute, obwohl ich stark von Dingen wie The Wicker Man, Acid-Folk aus den 1960er und 70er Jahren und Folklore beeinflusst war; das sind die Elemente, die einen starken Einfluss darauf hatten, wie die Musik zusammenkam und klang.
Schottland war in den letzten Jahrzehnten ein echtes Zentrum für innovative Folkmusik, und obwohl es schon immer internationale Verbindungen gab, sind die schottischen Musiktraditionen in unseren Breiten gar nicht so bekannt. Inwieweit haben die lokalen Musiktraditionen deine eigenen Interessen geprägt?
Es tut mir weh, das zu sagen, aber es ist fast etwas, wogegen man rebellieren oder vorgehen sollte. Schottischer Folk (ohne gälische Lieder oder Psalmen) kann schrecklich überzuckert und kurzlebig sein und innerhalb bestimmter, sehr zahmer Konventionen entstehen – also oft sehr konservative Kost. Was ein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie viele traditionelle schottische Balladen sich mit Themen wie dem Übernatürlichen, Mord und jenseitigen Angelegenheiten befassen. Es hat auch etwas von einer Musiktradition, virtuos oder technisch versiert auf seinem Instrument zu sein, was mich überhaupt nicht interessiert. Es gibt Ausnahmen, wie Alasdair Roberts oder Burd Ellen, und natürlich The Incredible String Band, aber meistens ist es sehr mittelmäßig. Ein schottischer Musiker, der mich viel mehr beeinflusst hat, ist Michael Begg von Human Greed/Fovea Hex, dessen Soundscapes, experimentelle elektronische Stücke und Kammermusik für mich viel mehr von der schottischen Landschaft erzählen als viele heutige Folkbands.
Inwieweit hat der Name, unter dem du spielst, etwas mit “The Scottish Play“ zu tun?
Eigentlich nicht sehr viel, obwohl es ein schönes Stück ist! Ich brauchte einen Namen, als ich mich vor vielen Jahren in die sozialen Medien wagte, also nahm ich den Titel des zweiten Albums von The Hare & The Moon, ohne wirklich zu denken, dass ich ihn einmal als Pseudonym verwenden würde. Heute versuche ich, soziale Medien nach Möglichkeit zu vermeiden, aber viele Leute nennen mich jetzt Grey und kennen mich so, also ist es geblieben. Hexerei ist auch ein Interesse von mir, also passt es dazu. Vor einiger Zeit gab es eine Verwechslung und jemand dachte, ich hieße eigentlich Graham Malkin, was für einigen Spaß sorgte. Ich antworte generell auf die meisten Dinge.
Bis heute hat deine Musik einen gewissen Collagen-Aspekt, der sehr zu deiner Herangehensweise als Studiomusiker statt als Live-Act passt. Beides ist nichts, was die meisten Leute mit folkig inspirierter Musik in Verbindung bringen würden. Gab es Musiker, die dich zu dieser Art zu arbeiten inspiriert haben?
Ich denke, Collage ist ein wirklich guter Begriff, er beschreibt gut, wie ich Stücke im Studio zusammensetze und versuche, die beste Passform und Kombination zu finden, um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen oder aufrechtzuerhalten. Ich denke, ich habe mich wahrscheinlich stark von Nurse With Wound inspirieren lassen (obwohl meine Musik nicht wirklich ähnlich klingt, außer vielleicht einige meiner Arbeiten mit So There oder Michael Warren) und seinem dadaistischen Ansatz, Klangelemente zu konstruieren und zu mischen, um eine Art unheimliche Stimmung zu erzeugen. Die Arbeit von Coil, sowie die Soundtrack-Arbeit von Luboš Fišer (der die Titelmusik zu ‘Valerie And Her Week of Wonders’ aufgenommen hat), The BBC Radiophonic Workshop, The Art Bears, Tangerine Dream, Syd Barrett, Kate Bush, Einstürzende Neubauten – ich bin mir sicher, dass sie alle ihren Weg hierher gefunden haben, im Sinne von Stücken, die keine konventionellen Wege gehen müssen und in denen disparate Elemente und Genres nebeneinander stehen. Unterschiedliche Klänge oder Aspekte, die nicht unbedingt zusammenpassen sollten, können ein angenehmes Unbehagen erzeugen. Mehr im Studio zu arbeiten und einige oder alle Instrumente auf einigen Aufnahmen zu spielen und dann zu mischen und zu produzieren, ist etwas, das ich bei anderen Künstlern wie Foetus oder Steven Stapleton beobachtet und bewundert habe. Es kann meinen inneren Kontrollfreak ansprechen, mich einfach auf mich selbst zu verlassen und zu versuchen, den Sound in meinem Kopf so nah wie möglich an den Sound auf dem Band zu bekommen. Obwohl mich das oft halb verrückt macht.
Du hast fast zehn Jahre lang mit The Hare And The Moon gespielt, bis du dieses Kapitel vor ein paar Jahren beendet hattest. Gab es einen musikalischen oder persönlichen Wendepunkt, der dich dazu brachte, dich auf dein Soloprojekt und andere Kollaborationen zu konzentrieren?
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Nase voll und war an einem sehr dunklen Ort mit mir selbst, aus dem ich beinahe nicht herausgekommen wäre oder den ich nicht überlebt hätte. Dinge mussten weggefegt werden, sowohl um überhaupt in Erwägung zu ziehen, mit der Musik weiterzumachen (was ich nicht mehr vorhatte), als auch um zu leben oder als Mensch zu funktionieren. Das klingt sehr melodramatisch, aber es ist wahr. Außerdem wurde die Idee, noch mehr von The Wicker Man inspirierte Folkmusik aufzunehmen, aufgesetzt und vorhersehbar, weshalb ich die Chance ergriff, das letzte The Hare & The Moon-Album mit Sourdeline aufzunehmen, einer französischen Acid-Folk-Band, die in den 1970er Jahren begann und deren Alben ich liebe. Unsere gemeinsame Veröffentlichung war komplett auf Französisch gesungen und es ist zweifellos eines meiner eigenen Lieblingsalben. Danach hatte ich, wie schon erwähnt, keinen Enthusiasmus und keine Pläne, jemals wieder etwas aufzunehmen, aber eine Einladung von Peter von Ashtoreth führte dazu, dass ich mit ihm das “Pilgrim”-Album aufnahm, was eine große Freude war, und auch der Beginn einer geschätzten Freundschaft. Andere neue Projekte folgten, mit anderen Freunden, wie Kitchen Cynics und Trappist Afterland. Jedes fühlt sich spürbar anders an und ermöglicht einzigartige Arbeits- und Kreativitätsweisen, sei es mehr songorientiert mit Alan (Kitchen Cynics), Adam (Trappist Afterland) oder Daughters of Grief (Widow’s Weeds) oder mehr ambient oder experimentell mit Peter (Ashtoreth) und David Colohan (Embertides).
Mittlerweile hast du eine komplette Albumtrilogie plus ein Remix-Album zusammen mit dem belgischen Drone-Musiker Ashroteth aufgenommen, die sich thematisch den (meist religiösen) Typen des Pilgers, des Einsiedlers und des Ketzers widmet. Wie kam euer Interesse an diesen Themen zustande?
Das sind drei der Alben, an denen ich am liebsten gearbeitet habe (es gibt zwei Remix-Alben, jeweils eines für ‘Pilgrim’ und ‘Hermit’, letzteres ist auf Bandcamp, wobei alle Erlöse an SARI, Stand Up To Racism And Inequality, gehen). Meiner Meinung nach (und Peter wird seine eigenen Assoziationen haben) beschreiben diese drei Archetypen unterschiedliche Geisteszustände: Einsamkeit oder das Alleinsein in der Natur; Introvertiertheit und Störung von Stimmung und Geist; und schließlich das Externe und Kollektive, eine Verbindung mit dem Universum und dem Leben selbst.
War die Reihe von Anfang an als Trilogie geplant?
Ich glaube, die Idee zur Trilogie entstand während der Aufnahmen zum zweiten Album. Wir hatten eine Arbeitsweise gefunden, die sich erweitern und in ein Projekt dieser Länge und Dauer kanalisieren ließ. Wir arbeiten unglaublich gut zusammen, fast intuitiv, und die Stücke können schnell zustandekommen oder mit der gleichen Begeisterung über die Zeit wachsen. Dass wir mit der Idee angefangen haben, einen Song zusammen zu machen, und dass daraus ein so umfangreiches und ausgedehntes Projekt geworden ist, ist ein Beweis dafür, was für ein kreativer und aufgeschlossener Mensch Peter ist, ich liebe alles, was er veröffentlicht und sich ausdenkt. Wir sind musikalisch auf der gleichen Wellenlänge und müssen uns oft nicht gegenseitig erklären oder beschreiben, was wir mit einem Song erreichen wollen; wir kommen ohne Worte an den gleichen Ort.
Würden Sie sagen, dass ein Musiker oder jede Art von kreativer Person in gewisser Weise ein Pilger, ein Einsiedler und ein Häretiker sein muss, um etwas Einzigartiges zu schaffen? Wenn ja, welches der drei Modelle, denkst du, passt am besten zu dir?
Ich würde nicht für andere sprechen wollen, aber ich tendiere definitiv zum Einsiedler. Ich bin oft am glücklichsten in meiner eigenen Gesellschaft, oder wenn ich alleine im Wald oder an der Küste spazieren gehe. Ich finde das Zusammensein mit Menschen sowohl anstrengend als auch auslaugend, obwohl es auch inspirierend und energetisierend sein kann, wenn ich eine gleichgesinnte Seele finde. In der Edwardianischen Zeit war es in Mode, einen Einsiedler zu engagieren, der auf dem Gelände deines Herrenhauses saß und mit dem du dich über Probleme unterhalten konntest, die dich beschäftigten. Wenn jemand eine gemütliche Höhle oder Grotte hat und einen schmuddeligen Einsiedler sucht, der zu ihm passt, kann er sich gerne melden. Ich nehme die Bezahlung in Rotwein und Chips an.
Wenn “Pilgrim”, “Eremit” und “Heretic” Filme wären, wer könnte deiner Meinung nach Regie führen?
Das ist eine wirklich interessante Frage. Ich würde auf jeden Fall Werner Herzog nominieren, für seine nüchterne und doch wertschätzende Darstellung der menschlichen Absurditäten und für seinen Respekt vor der Natur als unnachgiebige, unwandelbare Kraft. Ich kann mir keine seiner Arbeiten nennen, die ich nicht bewundere, egal ob es sich um seine Dokumentar- oder Spielfilme handelt; “Aguirre”, “Nosferatu”, “Das Rätsel des Kasper Hauser” (im Original Jeder für sich und Gott gegen Alle) und “Herz aus Glas” zählen zu meinen absoluten Favoriten. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich bei einem der drei Filme David Lynch als Regisseur engagieren, Herzog aber als Sprecher behalten. Können Sie sich das vorstellen? Wer noch? Tarkowski, obwohl die Filme sicher ewig daurn würden.
Kannst du dich mit Algernon Blackwoods Aussage über die Risiken der Imagination identifizieren, die einen an schreckliche Orte führen kann und eine “vernünftige Herrschaft” erfordert? Ist dir das Gefühl, zu tief in die Phantasie einzutauchen, vertraut?
Das Gefühl, zu tief einzutauchen (oder zu versinken), ist nur allzu vertraut. Es stimmt schon: The Mind Is a Terrible Thing to Taste.
Auf “Heretic” finden sich Zitate von Blackwood und LeFanu, auf “Revenant” von Hodgson und Machen, auf “Hermit” von Robert Aickman. Du hast bereits über deine Liebe zur Weird Fiction geschrieben. Was kann diese Art von Literatur ausdrücken? Was sind deine Lieblingsautoren?
Für mich selbst können Autoren wie Aickman und Machen eine Seite der Existenz und des Lebens darstellen, die etwas bietet, das sich vom Alltag und von der Norm untescheidet, eine Seite, von der ich stark spüre, dass sie da ist und real ist. Diese andere Welt ist vielleicht nur außerhalb unseres Blickfeldes, aber sie sitzt neben unserer irdischen Existenz, beobachtet uns und wartet. Diese Autoren bieten die Möglichkeit, in diese andere Welt einzutreten, die Vorstellungskraft zu erweitern und zu glauben und zu wissen, dass solche Dinge existieren, wenn wir sie sehen wollen. Neben den erwähnten Autoren mag ich auch die Werke von M.R. James und H.R. Wakefield, sowie zeitgenössische Autoren wie Alan Garner, aber ich fühle mich besonders zu edwardianischen und viktorianischen Geistergeschichten hingezogen.
Gibt es eine von Aickmans “Strange Stories“ die du grne vertonen würdest?
Es gibt eine Reihe seiner Geschichten, die ich gerne vertonen würde, aber vor allem “Ringing The Changes” aus “Dark Entries”; die Geschichte ist zutiefst verstörend und beunruhigend in einer Weise, die noch lange nach der Lektüre anhält, und sie hat auch einige offensichtliche Elemente, die sich für eine musikalische Begleitung eignen würden. Auf die gleiche Weise würde ich gerne eine Art Hintergrundstück oder stimmungsvolle Musik aufnehmen, die die Lesung von Schriften von Machen oder Blackwood begleiten könnte; jede dieser klassischen und zeitlosen Wyrd- oder Spukgeschichten. Es ist etwas, an dem ich zu arbeiten begonnen habe und zu dem ich immer wieder zurückkehre, bis es schließlich das Licht des Tages (oder des Mondes in der Nacht) erblicken wird.
Inwieweit ist die neu gegründete Gruppe The Black Swan Triad eine Fortsetzung der Trilogie? Neben Verwimp gibt es auch Beiträge von Menalaeh und Vindlandsraud, zwei relativ obskuren Musikern, die mit dir auf “Heretic” gearbeitet haben…
Menalaeh und Vindlandsraud betreiben die exzellente Band Tiloh, und ich lernte sie über Peter während der Aufnahmen zu “Heretic” kennen, für die Menalaeh einige wunderschöne Vocals beisteuerte. Wir verstanden uns sehr gut und begannen The Black Swan Triad fast als ein Experiment zur eigenen Unterhaltung, das zu meiner Freude und Überraschung schnell zu einem fertigen Album wurde. Ich würde sagen, dass die Arbeit von Black Swan Triad sich von der Trilogie mit Ashtoreth unterscheidet und ein völlig neues Projekt ist, obwohl es Motive und Stimmungen gibt, die definitiv ähnlich sind. Ich denke, dass diejenigen, die “Hermit” etc. genossen haben, hier sicherlich etwas finden werden, das ihnen gefällt.
Meinem ersten Eindruck nach ist “The Black Swan Triad” eines deiner bisher ekstatischsten rituellen Projekte. Wie würdest du die emotionale Seite des kommenden Albums beschreiben?
Es gibt da eine echte Bandbreite; wir haben uns darauf konzentriert, die Elemente der Natur darzustellen, also Feuer, Wasser, Luft, Erde sowie einige andere, eher schattenhafte Aspekte der Existenz. Die Musik soll diese Elemente beschreiben, so ist Wasser zum Beispiel abwechselnd ruhig, dann schnell und drängend, Feuer wütet und Erde hat eine gewisse Kraft und Ausgeglichenheit, ist aber auch, nun ja, erdig! Ich bin wirklich gespannt darauf, dass die Leute hören, was wir geschaffen haben, es fühlt sich wie etwas ganz Besonderes an.
Auf der Bandcamp-Seite von The Floating World heißt es: “2014 beschlossen Neddal Ayad (Gitarren), Grey Malkin (Noise, Drones) und Amanda Votta (Vox, Bari-Gitarre) mit Amanda Votta & The Spectral Light gemeinsam dunklere, lärmigere Songs zu machen als die von The Floating World. Dieser manchmal ruhige, manchmal wütende Tsunami ist das Resultat.” Gab es einen bestimmten Vorfall, der euch zu dieser lärmigen Musik inspirierte?
Ah, das solltet ihr am besten Amanda und Neddal fragen! Die Richtung bestand schon, als ich anfing, meine Parts hinzuzufügen. “Secrets to the Sea” ist ein tolles Album, und ich bin sehr stolz darauf, daran beteiligt gewesen zu sein. Es unterscheidet sich sehr von The Floating World, Amandas Projekt, das eine ruhigere und schönere, geheimnisvolle Melancholie hat. Obwohl ich sagen muss, dass ein neues The Floating World-Album auf dem Weg ist, an dem ich zu meiner Freude auch wieder beteiligt bin, und das ein wahres Monster ist. Einige Parts sind purer, brutaler und zugleich schöner Lärm!
“Secrets To The Sea” wurde gerade digital veröffentlicht. Gibt es Pläne für eine physische Veröffentlichung? Alle Erlöse aus dieser Veröffentlichung werden an die Organisation Butterfly gespendet (die asiatischen und migrantischen Sexarbeiterinnen hilft). Ihr erwähnt ausdrücklich die schrecklichen Anschläge in Georgia. Ich habe ein paar Jahre in Atlanta gelebt und bin oft an einem der Salons vorbeigekommen. Hast du das Gefühl, dass das, was dort passiert ist, eine Kombination aus furchtbarem Rassismus und einer extrem ungesunden Einstellung zur Sexualität ist (nur wenige schienen darüber gesprochen zu haben, als der Hintergrund des Schützen unter die Lupe genommen wurde)?
Auch hier wäre jede Veröffentlichung Amandas Entscheidung, obwohl wir darüber gesprochen haben, und physische Editionen sind immer schön. Ich weiß, dass Amanda sehr daran interessiert war, das Album wieder verfügbar zu haben, daher erschien es auf Bandcamp zugunsten von Butterfly. Ich sehe ebenfalls, dass eine fürchterliche Kombination aus Frauenfeindlichkeit und Rassismus an den Angriffen in Georgia zusammenkam, was leider kein Einzelfall in der heutigen Welt ist. Es gibt eine Fülle idiotischer rechter, rassistischer, niederträchtiger Einstellungen und Verhaltensweisen, die von bestimmten Regierungschefs in den USA und Europa/Großbritannien gefördert wurden, die ich absolut verabscheue. Es ist eine widerliche Denkweise, die ich nicht verstehe und auch nicht verstehen möchte.
Du bist auch Teil von Meadowsilver, bei denen eine eher ätherische, mittelalterliche Atmosphäre spürbar ist. Was kannst du uns über dieses Projekt erzählen?
Ich liebe es, mit Gayle und Stephen in Meadowsilver zu spielen, sie sind beide gute Freunde von mir. Unsere gemeinsame Vorliebe für Psychedelia und Psych-Folk kommt der Musik, die wir machen, sehr zugute. Außerdem gab mir das die perfekte Gelegenheit, die Gitarre wieder einzustöpseln und ein bisschen Krach zu machen, nachdem ich mich eine Zeit lang mehr auf das Keyboard konzentriert hatte. Wir hoffen, einen Nachfolger aufzunehmen, sobald wir dazu in der Lage sind, denn ich glaube, dass etwas Besonderes passiert, wenn wir zusammen aufnehmen. Einige der Traditionen, für die ich mich sehr interessiere, im Rahmen eines schrägen und zugleich traumhaften Folkrock zu dokumentieren, ist schon eine sehr schöne Mischung.
Wie wichtig sind Kollaborationen generell für dich?
Sehr wichtig, obwohl ich dazu neige, meine Parts isoliert und alleine aufzunehmen, gibt es ein echtes Gefühl der Teamarbeit und des Austauschs von Ideen auf eine Art und Weise, die etwas mehr als die Summe seiner Teile schafft. Im Moment arbeite ich mit Andy Sharp von English Heretic an einer EP, was ein wirklich interessanter Prozess ist. Die Songs basieren auf seltsamen und ungewöhnlichen Orten, die Andy und ich besucht haben, während er in Schottland war. Es ist eine sehr kreative und herausfordernde Art zu arbeiten, die Arbeit mit anderen treibt mich dazu an, in jedem Fall mein Bestes zu geben, auf eine Art und Weise, die ich alleine nicht hätte. Faulenzen ist nicht erlaubt.
Wie kam es zu den beiden Kollaborationen mit Adam Cole/Trappist Afterland? Da ihr beide sehr starke eigene Visionen habt – habt ihr eine Art Rahmen festgelegt, bevor ihr mit dem Schreiben und Aufnehmen der Songs begonnen habt?
Eigentlich nicht, wir sind einfach reingesprungen! Einige der Songs hatten ein Skelett, das von Adam zur Verfügung gestellt wurde, andere von mir, und wir fügten jeweils unsere Parts entsprechend hinzu. Es war nahtlos und geradlinig, ich denke, weil wir gute Freunde sind und beide eine sehr ähnliche Vorliebe für den Folk der 60er/70er Jahre haben, also kommen wir von den gleichen Referenzpunkten. Ich denke, unsere beiden Stile ergänzen sich sehr gut, oder zumindest kann ich alle seine Parts mit Mellotron unterlegen, und ich bewundere Adams Stimme. Hoffentlich werden wir auch in Zukunft mehr zusammen machen. Besonders “The Trappist & The Hare” schien bei den Leuten Anklang zu finden, und es war schön, David Colohan, Michael Warren, Gayle Brogan und Alan (Kitchen) Cynic zu den Aufnahmen hinzuzuholen. Es fühlt sich an wie eine Art Familie.
Ohne deine Arbeit(en) (zu) stark vereinfachen zu wollen, würdest du sagen, dass es ein Element gibt, das alle verschiedenen Projekte, an denen du bislang beteiligt warst, miteinander verbindet?
Ich denke, es gibt fast immer so ein Gefühl von Unbehagen oder von etwas Gespenstischem in meiner Musik, das von meinen Einflüssen, wie den bereits erwähnten Geistergeschichten, dem tschechischen New-Wave-Kino, dem Surrealismus, der Hexerei und den dunkleren der traditionellen Balladen, ausgeht. Und bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich auch von meiner mentalen Verfassung. All das durchdringt die Dinge, ich hoffe auf eine ungekünstelte Art und Weise. Ich versuche nicht, ‘unheimliche’ Musik zu konstruieren, ich hoffe, dass sie einfach organisch zu dieser Stimmung führt. Ich bin sehr misstrauisch gegenüber übermäßig oder absichtlich konstruierter Kunst, die ein bestimmtes Genre oder “Etikett” hat, das sie anstrebt. Es kann dann tatsächlich eine Übung zum Abhaken sein und sich folglich unaufrichtig anfühlen. Obwohl der Heavy Metal eine Ausnahme sein könnte, wenn überhaupt, kann er sogar von diesem Ansatz profitieren (wieder Judas Priest!). Ich denke, das aktuelle Widow’s Weeds-Album ‘Revenant’, das ich mit Daughters of Grief aufgenommen habe und das ein wundervolles Artwork von Hidden Velvet hat, veranschaulicht dieses eine Element am besten und festigt es. Es ist ein Werk, auf das ich sehr stolz bin und vielleicht dasjenige, das ich als repräsentativ für meine Arbeit ansehen würde.
Ich erinnere mich noch lebhaft an das allererste Mal, als ich vor vielen Jahren in der Wohnung eines Freundes in London “The Wicker Man” auf einem alten VHS-Tape sah. In den letzten Jahren wurde der Begriff “Folk-Horror”, den du eben auch genannt hast, häufig und manchmal – wie ich finde – wahllos verwendet. Die Frage ist eine doppelte: Wie würdest du selbst ihn definieren und hast du das Gefühl, dass einige deiner Arbeiten in gewisser Weise Elemente davon enthalten könnten?
Ich stehe dem Begriff “Folk-Horror” etwas zwiespältig gegenüber, obwohl ich in diesem Bereich schon einiges geschrieben habe. Ich denke, er ist wahrscheinlich kein nützlicher Indikator mehr für bestimmte Merkmale in der Kultur, sei es Film, Literatur oder Musik – etwas, das das Gefühl beschreibt, dass etwas nicht stimmt, etwas nicht richtig ist – mit der dazugehörigen Landschaft oder dem Ort, der entweder zu diesem Unbehagen beiträgt oder ein Teil davon ist. Jetzt fühlt es sich an wie ein riesiges, kaum zusammenhängendes Sammelsurium von Dingen, die nie als Folk-Horror oder gar Horror gedacht waren, alle unter dem gleichen Oberbegriff etikettiert, aber das ist nur meine Miesepetrigkeit. Wenn es den Leuten hilft, nach ähnlichen Filmen oder Serien oder was auch immer zu suchen, dann ist das alles gut. Ich bin nicht scharf auf ‘Genres’ oder Etiketten generell, schließlich fängt alles an, einer Vorstellung davon zu folgen, wie etwas ‘Folk-Horror’ oder ‘Hauntological’ sein sollte, und man endet bei ‘Midsomer’, das ich einfach schrecklich fand. Ich denke, es gibt einige ähnliche Einflüsse in meiner Arbeit, aber ich habe nie versucht, “Folk-Horror”-Musik zu machen. Ich sitze nicht mit einer Ziegenmaske und einem Umhang da und nehme auf. Jedenfalls nicht die ganze Zeit.
(M.G. & U.S.)
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