Elizabeth Bernholz ließ vor einigen Jahren auf dem Cover ihres Debüts „The Entire City“ eine Ballard’sche Welt entstehen, auf der die Pflanzen die Herrschaft über die Zivilisation übernommen hatten, auf dem Nachfolger „Unflesh“ sah man sie mit Baconartigen Gesichtsverzerrungen. Kürzlich erschien „Deep England“, ihre Reimagination und Reinterpretation – ,,an electro-choral expansion“, wie es in den Linernotes heißt – ihres Albums „Pastoral“, das zusammen mit dem NYX Electronic Drone Choir urspünglich für einen Livekontext konzipiert wurde (Bilder der Aufführung sind im Innern des Albums zu finden). „Rooted in English pagan and sacred music“, ist „Deep England“ naturgemäß keine Evokation einer Idylle, wie die Rückseite des Covers verdeutlicht, findet sich dort doch eine Art Manifest: Da ist die Hoffnung im Würgegriff von „power and glory“, der Zorn der Untedrückten dient zum „summoning a lament into the ether“ und schließlich als Essenz, Forderung und Programmatik: „a transcendental purge of the dizzying chaos of post-truth Britain“.
Während also im Post-Brexit (Noch?-)Großbritannien immer stärkere nativistische Töne angeschlagen werden, setzt Bernholz als Antidot dagegen ein Album mit Bezugnahme auf alternative Traditionen, wie z.B. William Blakes urspünglich am Anfang seines epischen Gedichts „Milton“ zu findenden Text “And Did Those Feet”, der zwar in England in der Vertonung von Hubert Parry als “Jerusalem” zu jeder (un-)passenden Festivität geschmettert wird, so auch bei der Hochzeit des wohl übernächsten Monarchen, aber für Bernholz dürfte der Text des “Cockney Visionary” Blake, der zu Lebzeiten als “unfortunate lunatic” verspottet wurde, mit seiner Kritik an der aufkommenden Industrialisierung, an den sprichwörtlich gewordenen “dark satanic mills” (und Blakes an anderer Stelle geäußerter Forderung, ein eigenes System zu erschaffen (“I must create a system, or be enslaved by another man’s. I will not reason and compare: my business is to create.”)) ein Anknüpfen an eine Tradition außerhalb des Establishments sein. Dazu passt auch das Cover von “Fire Leap”, dem Fertilitätssong aus “The Wicker Man”, dem Film, der lange, bevor es hip wurde, eine alternative heidnische Tradition außerhalb eines regressiven und repressiven Christentums heraufbeschwor. „Glory“ eröffnet das Album mit Glocken, einer pastoralen Flöte, Orgel, sakralem Gesang: „Will you become the saint you want to be?/Spreading your disease all on one sunny afternoon/Glory be/Flowers, see the flowers growing from his head/Heresy’s dare “. Das Titelstück oder “Golden Dawn” (ein weiterer Verweis auf alternative, “okkulte” Traditionen) erinnern an gregorianische Choräle. Inmitten dieser eher getragenen Stücke sticht das hektische “Better In My Day”, eine Absage, an die “Früher-war-alles-besser”-Fraktion, heraus. Die titelgebende Aussage wird durch das Repetetive und die verfremdete Stimme ad absurdum geführt: „Much better in my days/No locked doors/No foreigners“. (MG)
Label: NYX Collective Records