NICOLAS GAUNIN: Noa Noa Noa

Sollte irgendjemand, dessen Herz für alte Mondo- und Kannibalen-Schinken schlägt und der in seiner Lieblings-Tikibar gerne zu einem Mai Tai von imaginären Südsee-Abenteuern träumt, behaupten, ohne Nicolas Gaunins LP “Noa Noa Noa” auszukommen, dann gäbe es dafür allenfalls eine Rechtfertigung – dass er schon im Besitz des Debüttapes “Noa Noa” und der digital veröffentlichten EP “Danse de l’Oiseau” ist, die vor zwei Jahren Jahr über Artetetra das Licht der Welt erblickt hatten. Die darauf enthaltenen Tracks voll abwechslungsreicher Polyrhythmen und perfekt montierter Samples sind nämlich hier zu einem Release zusammengefasst, allerdings in einem komplett anderen und auf ein einheitliches Klangbild ausgerichteten Mastering, zudem erstmals auf Vinyl.

Der bis auf einen Buchstaben nach dem vielleicht berühmtesten Aussteiger der Kunstgeschichte benannte Mann lebt – äußerlich – an einem zwar für eine Kleinstadt ziemlich pulsierenden, aber auch nicht besonders exotischen Ort, nämlich dem italienischen Padua, wo er solo und mit Bands wie Orange Car Crash, The Beautiful Bunker und den allseits bekannten Lay Llamas in die psychedelischen, experimentellen und elektronischen Musikszenen involviert ist. Sein eigentliches Zuhause scheint aber in tropischen Parallelwelten zu sein, von der Platten wie „Noa Noa Noa“ künden, Welten, in denen Xylophon und das Klappern gut resonierender Holzobjekte zum Tanz aufrufen und Vögel, Frösche und Zikaden ein prächtiges Urwaldkolorit erzeugen.

Dieses Kolorit hat wenig mit ernsthafter Ethno- und Geografie oder mit um Authentizität bemühten musikalischen Referenzen zu tun, ist vielmehr die Feier eines farbenfrohen Eskapismus, der sich seines projektiven Charakters bewusst ist und darauf pfeift. Durch den Titel und die mehrfachen Gaugin-Anspielungen entsteht die Vorstellung eines imaginären Polynesiens, doch viele der in den sonnenheißen, z.T. aber auch erratischen Polyrhythmen, den gackernden Tierstimmen und den sanften Bläserpassagen eingefangenen Tableaus könnten auch im Herzen Afrikas, in der Karibik oder im Goldenen Dreieck angesiedelt sein.

Neben den bekannten Kannibalenfilmen von Lenzi, Deodato und anderen gibt es auch ein ironisch verspieltes Genre-Pastiche namens Mondo Cannibale 3 a.k.a. White Cannibal Queen von Jess Franco, dem Eindruck nach könnten Urwaldszenen daraus in einem Stadtpark irgendeiner spanischen Großstadt gedreht worden sein – ein surreales Meisterstück, wenn man denn das Große im Trash aufzufinden vermag. Auf gewisse Weise entspricht dieses Album auch solchen Werken.

Label: Hive Mind Records