RDEČA RAKETA: …and cannot reach the silence

Das aus Maja Osojnik und Matija Schellander bestehende Wiener Duo Rdeča Raketa – dt. Rote Rakete – bringt ein neues Album mit dem Titel “…and cannot reach the silence” heraus. Mit zahlreichen Einflüssen von Industrial bis HipHop im Gepäck gehen die beiden in den gesungenen und rezitierten Texten Osojniks der Frage nach den zahlreichen Irrwegen der Kommunikation in Zeiten medialer Überangebote nach.

Die von einem dystopisch anmutenden Pessimismus durchdrungenen Texte, die bei genauerem Hören aber wie ein Weckruf aus einer verschlafenen Unbewusstheit klingen, sind kunstvoll eingewoben in ein Muster aus Synthies, gesampleten Sounds und vielen mehr.

“…the night is spilling Across The room” lautet der Titel des 10-minütigen Openers, und was hier über den Boden geschüttet wird, ist zunächst ein langes, singendes Droneloop, in Bewegung gehalten durch ein Rauschen, das wie Worte herausgepresst wird und für Momente die Illusion eines Taktes aufkommen lässt. Doch es bleibt tastend und unsicher, und es ist nicht das letzte, das hier im Ungefähren, Diffusen beleibt. Hochfrequentes und eine schläfrig summende Stimme bilden die unklare Kulisse für einen leicht melodischen Monolog, indem die erotische Fantasie mit einem namenlosen “pretty girl” zu scheinbarem Leben erwacht.

Das ekstatische Keuchen, vorangetrieben von aufwühlenden Synthies, kann ebenso sehr Lust wie Verzweiflung – zusammen sicher die wesentliche Existenzgrundlage aller dating Apps dieser Welt – illustrieren und geht über in den Lärm, der “… like gasoline” wie eine MG-Salve eröffnet. Nachdem sich der Song im Midtempo eingerichtet hat, setzt auch hier der Monolog ein und beschreibt die Indifferenz (“we are nothing to each other”) und zugleich das obsessiver Begehren (“I want him so bad”), die beide sicher nicht untypisch sind für einsame virtuelle Fantasien, aber auch für Beziehungen, in denen sich Partner v.a. als Objekte begegnen.

Dem Titel entsprechend beginnt das abschließende “waiting it out” mit eher gemächlichen, aber nichtsdestoweniger spannungsgeladenen Synthies. Doch wer hier mit einem harmonischen Finale rechnet, bekommt die volle Ladung Dystopie entgegengeschleudert mittels hektischer Stimmfragmente, enervierendem Bohren an der Migränegrenze und der Beklommenheit einer Ego Shooter-Mission ohne Aussicht auf einen next level, bis irgendeine Instanz den erlösenden Stecker zieht und das Stück entsprechend abrupt endet.

“My breasts will not feed nor me nor you”, sind die finalen Worte des Albums, und dieser Hinweis auf etwas, dass in einer heute etwas angestaubt klingenden Psychologie einmal orale Fixierung genannt wurde, ist nicht unwesentlich für einen Zug, der aus dem Album mehr macht als eine etwas moralingesäuerte Medienkritik. Der Fokus nämlich liegt viel mehr auf dem Leiden des darin verstrickten, auf der hilflosen Sehnsucht desjenigen, der keine Ruhe findet. (J.G.)

Label: Ventil Records