V.A.: Drone-Mind // Mind-Drone Vol. 8

Würden Drone Records den Begriff, der von Beginn an so etwas wie ihr Motto werden sollte, enger fassen, dann wäre ihre Reihe “Drone-Mind // Mind-Drone” wahrscheinlich auf viel weniger Interesse gestoßen und vielleicht sogar eine kurzweilige Angelegenheit geblieben. Stattdessen setzte das Bremer Label von Beginn an auf eine Idee des Drone, die, wie es in einer früheren Besprechung bereits zitiert wurde, pars-pro-toto für verschiedene Arten der Vibration und der Freisetzung von Energie im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne stand. Und so sind auch auf dem gerade erschienenen achten Teil der Reihe wieder vier Geheimtipps aus drei Kontinenten vertreten, die die Dröhnung als eine Art verbindendes Element gemeinsam haben, diese jedoch in ganz unterschiedlichem Maß und auf unterschiedliche Art mit anderen Aspekten verknüpfen.

Bereits in der Ankündigung hieß es, dass die neue LP pulsierender ausfallen und Einflüsse des Post-Industrial aufweisen sollte, und den Opener “Clean2020″ des aus Osaka stammenden Sound Designers Kazuya Ishigami kann man da bereits exemplarisch anführen. Der Track, der sich mit dem Thema (auch schmerzhafter) Erinnerugen und ihrer Akzeptanz befasst, entwift ein über zwölf Minuten langes, ansatzweise episodisches Narrativ, das mit Samples und zahlreichen Effekten ein veränderliches Stimmungsbild entwirft. Das an Zikaden (vielleicht nicht nur) erinnernde Zirpen zu Beginn zieht sich durch weite Teile des Stücks, lässt ein durchaus angenehmes Alltagskolorit entstehen, doch ein zwiespältiges Gemisch anderer Sounds – mechanisch anmutendes Klappern, beklemmende Hochtöner, Vögel, das Dudeln einer versteckten Melodie – kommt hinzu, und da die eizelnen Sequenzen in ihrer Dauer und Veränderlichkeit kaum vorhersehbar wirken, ist eine der zentralen Stimmungskomponenten Spannung.

Ein ähnlich veränderliches Soundpanorama entwirft das amerikanische Duo Aume – namentlich Scot Jenerik und Aleph Omega aus dem F-Space-Umfeld. Ihr Beitrag wirft die auditiven Antennen mit rauem Knarren in die Mitte eines Geschehens, dessen Richtung man in den Sprachsamples und dem industriellen Hantieren zunächst noch nicht ausmachen kann. Während es unablässig reibt und schabt und knackt und ein unterschwelliges Dröhnen immer mehr anschwillt und irgendwann den ganzen Raum ausfüllt, treiben die Stimmen einen merkwürdigen Schabernack, scheinen wie Schafe zu blöken, bis alles in Kriegsgeschrei mündet. Doch in der zweiten Hälfte bekommt der Track noch einmal eine überraschende Wendung und prescht mit monoton-rhythmischer Perkussion dem Horizont entgegen.

Insgesamt ist die zweite Seite um einiges “schöngeistiger”. “Puppy38″ des in Wien lebenden Amerikaners Hiroshimabend beginnt mit entrückten Orgelsounds, in die sich ein undefinierbares Summen mischt. Just wenn sich eine hypnotische Wirkung einstellt, setzt eine eindringliche Melodie ein und entführt den entsprechend angefixten auf einen Trip durch einen imaginären Raum voll mit plastischen, knisternden, vibrierenden Sounds und etwas, das wie menschlicher Atem klingt. Hier scheint jede Raumwahrnehmung (bzw. Projektion) so unsicher, das sich kaum sagen lässt, ob die so entrückt anmutenden Sounds nicht doch der Sog eines abgründigen Höllenschlundes sein könnte. Rituelles Pochen holt den Hörer zurück auf vertrauten Boden, wo ein beruhigender Abspann erfolgt.

Baldruin ist das Projekt des deutschen Künstlers Johannes Schebler, der auch musikalisch – sowohl solo als auch mit seiner Band Diamantener Oberhof – sehr umtriebig ist. Seine drei etwas kürzeren Track offenbaren eine Schlagseite in Richtung Psychedelic und World Music eine weitere Facette offenbaren. Fast wie eine perfekte Miniatur führt das mit mollastigen Bläsersounds (einer Duduk?) beginnende “Die Katakomben von Tesco Libra” mit entspannten Handdrums zu einem kleinen Höhepunkt hin, kein Ton ist hier zu viel. Elektronischer und von einer gefahrvollen Spannung durchzogen mutet “Verstecken” an. Die schöne Loungemelodie, die einen mit Lärm, basslastigem Knarren, fiesen Hochtönern und Stimmen gefüllten Raum in einen Traum aus Plastik verwandelt, reizt fast zu einem NWW-Vergleich. Das abschließende “Klima und Psyche” dagegen zeigt Baldruin hier von seiner folkigsten Seite und lässt die Sammlung mit tremolierenden Bläsern, Saitenpicking und klapperden Handdrums in wehmütiger Heiterkeit – falls es so etwas gibt – ausklingen.

Es scheint, als würde dem Phänomen Drone vielerorts eine große Ausschließlichkeit angedichtet: Musik ist entweder Drone oder nicht, und wenn, dann ist sie nur dies. Tatsächlich aber kann Drone sehr unterschiedliches bedeuten und in sehr unterschiedlicher Musik eine Rolle spielen – eine Rolle, die keineswegs an Bedeutung einbüßt, wenn sie ein Aspekt unter mehreren ist. Drone kann den Aufbau einer Musik gestalten, ihre Materialität prägen, eine Musik hypnotischer machen und ihr Rückgrad verleihen, und immer besteht eine starke Wechselbeziehung zwischen dem Dröhnen und dem suchenden, repziperenden und interpretierenden Geist. Dies unter der Formel “Drone-Mind // Mind-Drone” zu vereinen, ist auch beim achten Teil ein starkes Argument gegen alle, die behaupten, Drone hätte sich über die Jahre totgedröhnt. (U.S.)

Label: Drone Records