Schmerz, Trauer, vielleicht Wut und immer wieder jenes Element, das gerade aufgrund seiner relativen Nähe zur Form umso formloser erscheinen kann, bevor es alles in seinem Fluss mitreißt – All dies und sicher einiges mehr klingt in dem Albumtitel “Water and Tears” an, und schon in dem schrillen, kreisenden Loop des kurzen Openers “A Spell on You” zeigt sich, dass dieses Album seine Hörer nicht in Ruhe lassen will, trotz der angenehmen Dröhnung, die sich irgendwann im Hintergrund abzeichnet.
Auf dem neuen Tape “Water and Tears” hat der Komponist und Mehrfachinstrumentalist Nicola Serra, der als Il Santo Bevitore auftritt, eine von schroffen Kontrasten geprägte Welt aus Synthies, Samples und akustischen Instrumenten geschaffen, in deren Ecken allerhand fragwürdiges Geröll die Orientierung zu einer Herausforderung macht, und immer scheint es, als würden Ruhe und Aufruhr einen seltsamen Konflikt austragen und dabei gemeinsam an einem tragischen Narrativ weben. Das hektische Hantieren in den Ritzen des sanft brummenden Drones von “Fractured Belief” wirkt in diesem Sinne fast wie eine invertierte Vorstufe zu dem lieblichen, an eine Spieluhr erinnernden Glockenspiel, dessen Bimmeln fast schon nostalgisch durch eine räudige Welt tänzelt. Im perkussiven “Feral” ist es das Kontrastprogramm einer sanften, kaum hörbaren Flöte und dem Grundmuster einer Art Industrial-Crossover, das die Kulisse für ein mystisches Sample bildet.
In was für einen Film ist man hier geraten? Serra, der gebürtig aus Sardinien stammt und weite Teile seines Lebens dort verbrachte, hat im Vorfeld stark zu einem Thema geforscht, dass in seiner Heimatregion zu einem eigenen Mythos herangewachsen ist – der Geschichte der sogenannten Panas: Frauen, die während der Komplikationen einer Geburt sterben, und den vielen Überlegungen zu den Ursachen, den Folgen und auch den spirituellen Konnotationen einer solchen Begebenheit. Da Serra über lange Jahre auch an den vorchristlichen Mythen Sardiniens geforscht hat, kam dieser Kontext ebenfalls beinahe automatisch hinzu.
Vor diesem Hintergrund erscheint einem die Atmosphäre beispielsweise des Titeltracks schon um einiges klarer, auch wenn man natürlich bei solchen Informationen immer Gefahr läuft, seinen Projektionen auf den Leim zu gehen: Ein sanftes wellenförmiges Loop, das Frauengesang oder vielleicht auch den Hauch eines sanften Windes transportiert, gewinnt hier immer mehr an Dichte und Intensität – der perfekte Sound von etwas, das erwacht oder am entstehen ist. Das Stück steigert sich irgendwann zu einem eruptiven Ausbruch, bei dem Keifen und Krach fast an Black Metal erinnern. Auch ohne die Informationen zum Konzept würde man hier vielleicht das deutsche Idiom einer “schweren Geburt” fallen lassen.
Lärm, kosmische Entrücktheit, Rauch und Hauch, elektrifizierte Gewitter wie Salven aus einer Schnellfeuerwaffe: “Water and Tears” ist alles andere als arm an großen und kleinen dramatischen Momenten. Ich möchte nur noch zwei der besonderen Höhepunkte hervorheben, die sich in der zweiten Hälfte des Albums noch finden. Da wäre “Malin”, das als geheimnisvolle Klanglandschaft mit Saxophon, Klarinette und Textrezitation über einem tief hallenden Abgrund beginnt, bis in der zweiten Hälfte fast so etwas wie Rockdrumming einsetzt. Oder das Finale “Roaming In A Sea Of Blades”, das vor seinem lodernd nächtlichem Schluss noch einmal durch ein Drama aus Glocken, liturgischem Gesang und verzweifelten Schreien geht.
Nicht nur in solchen Momenten ist eine starke Emotionalität zu spüren – dass zugleich durchgehend spürbar ist, wie viel Abeit in dieser ausgesprochen dichten Musik steckt, steht in keinem Widerspruch dazu. Ein beeindruckendes Album! (U.S.)
Label: Opal Tapes