MUSIQUE INFINIE: I

Das recht lakonisch “I” betitelte Debüt von Musique Infinie, dem gemeinsam Projekt der Schweizer Noémi Büchi und Manuel Oberholzer, der v.a. unter seinem Künstlernamen Feldermelder bekannt ist, beginnt mit einem Donnerschlag. Doch hat man sich erst in die Mitte des von Pauken und kratzig verrauschter Dröhnung bewegten Geschehens des eröffnenden “The Power of Choice” ziehen lassen, kommt einem das cinematisch-orchestrale Setting in elektronischer Verfremdung bald wie ein Auszug von etwas Größerem vor, das schon immer da gewesen ist.

“I” entstand in verschiedenen Studios, die die beiden zum Teil auf gemeinsamen Reisen aufsuchten, die Instrumentierung, in welcher nachträglich bearbeitete Klaviersounds wohl eine zentrale Rolle spielten, wurde oft von den jeweiligen Gegebenheiten abhängig gemacht, und überhaupt scheint der eher improvisierende Ansatz, mit dem Büchi und Oberholzer immer wieder anders vorgingen und sich von den jeweiligen Zwischenresultaten überraschen ließen, wie gemacht für ihr Projekt einer gleichsam verstörenden wie euphorischen Musik.

Eine Atmosphäre des Abenteuerlustigen, Wagemutigen durchzieht weite Teile des Albums – wenn noch im Opener z.B., nach einem kurzen Bruch, treibende perkussive Bewegungen durch den Raum flitzen, mit den Möglichkeiten des Raumklangs spielen und eine Menge aufwühlender Spannung erzeugen, oder im folgenden “Latent Delusional Thoughts” in flirrendem Klappern die orchestrale Materialität auflockern. Doch ebenso kommt es immer wieder zu weniger nach vorn preschenden, eher tastenden Momenten, in denen der Fluss der Klänge, wie in “Voices Nobody Hears”, ins Stocken kommt, und wie bei einer Sendersuche am Radio immer wieder Neues gechannelt wird. Doch auch solche Passagen – hier dominieren warme Klänge, in die anfangs Chöre gemischt sind und gegen Ende beinahe stampfende Rhythmen – zeigen sich als ausgesprochen kraftvoll.

In “Liquidation de la Nuit de l’Incalculable” scheint ein wuchtiges, an die Welle auf dem Covermotiv erinnerndes Rauschen die Szenerie zu tragen, doch entrückte Hochtöner lösen sich aus dem heranbrandenden Material, gerinnen zu schönen Melodietupfern, die fortan heimlich die Führung übernehmen. Immer wieder wird anderen Details, die bereits in ihrer eigenen Dimension zu existieren scheinen, die Tür geöffnet, und bald dringen vielgestaltige Rhythmen in das Gleiten der Sounds, das zu wechselvoll ist, zu unterschwellig unruhig und zu wenig schöngeistig schwelgend, um schlicht Ambient zu sein.

Auch in den abschließenden Passagen will die Musik sich nicht auf eine Richtung festlegen, tastet lieber verschiedene Möglichkeiten im trial and error- Verfahren aus oder lässt sich tragen, und nie muss der abschließende Part eines Tracks eine Entscheidung ausdrücken, nur weil er zeitlich auf etwas anderes folgt und folgen muss. Das gilt sicher für das elektrifizierte Kratzen, das in “Broken Mind Circuit” die verträumte hypnotische Repetition gerade dann wie eine Sandschicht bedeckt, wenn sich das Gefühl für das Tempo durch Gewöhnung verändert. Oder für die Wechselspiele von Dröhnen, Klimpern, erkennbaren Rhythmen und so etwas wie hellen Bläsersounds in “Zones of Incorporation”. Wenn im finalen “The Cessation of Reason”, das wieder an eine orchestrale Ouvertüre erinnert, den Kausalitäten auch sprachlich eine Absage erteilt wird, klingt das beinahe wie ein kleines fragmentarisches Manifest.

Dass Musique Infinie nicht nur für dieses intensive Album zusammengekommen sind, zeigt nicht nur der Titel, sondern auch ein Blick auf die Seiten ihrer Landsleute von Hallow Ground, denn da ist inzwischen bereits ein zweites Album mit Filmmusik der beiden erschienen. Mehr dazu auch in Kürze bei uns. (U.S.)

Label: -OUS