CONTRASTATE: Life Without Agriculture

Von all den weitgehend dem Postindustrial entstammenden Projekten gehören die (inzwischen zum Trio angewachsenen) Contrastate sicher zu den interessantesten, bewegten sie sich in den (von einer Pause unterbrochenen) Jahrzehnten musikalischen Schaffens immer wieder außerhalb all zu enger Genregrenzen. Zuletzt waren Contrastate auf diesen Seiten mit der 10” „35 Project“ besprochen worden, die auf Stephen Meixners Label Black Rose Recordings erschien. Dort veröffentlicht Meixner regelmäßig anspruchsvolle Geräuschmusik verwandter Künstler.

Jetzt erscheint im Rahmen von Drones CD-Serie „Sym“ das von Meixner, Jonathan Grieve und Stephen J. Pomeroy eingespielte Vollzeitalbum „Life Without Agriculture“. Konzeptionell geht es um die Auseinandersetzung mit den Orten und Daten, die für einige der vielen „-ismen“ des 20. Jahrhunderts relevant waren: „An album ‘re-imagining’ some of the dadaist, futurist, and surrealist clubs of the 20th century, from Moscow 1918 over Tehran 1966 to Münster 1997“.

Manche der Orte und Jahreszeiten sind sehr leicht zu dekodieren, “Zurich 1916″ verweist natürlich auf das Gründungsjahr des Cabaret Voltaire, bei anderen ist es schwieriger und vielleicht nicht immer ganz eindeutig. Für das kommende Bad Alchemy hat R. Dittmann eine offenbar weitgehend korrekte Entschlüsselung vorgenommen. Was auffällt, ist dass die einzelnen Tracks abseits der Titel nur sehr eingeschränkt ganz eindeutige Bezugnahmen erkennen lassen. Auf „Strasbourg 1928 “gibt es immer wiederkehrende Momenete, eine Frau erzählt etwas („He was a storyteller, he was a magician, he didn’t really wanna give the answers. I also thought he was a trickster and then there’s a moment when you’ve been tricked“). Es kommen leiernde Sounds hinzu, ein kurzer Bruch, flirrende Passagen. „Moscow 1918“ beginnt mit dissonanten Momenten, aber dann sind auch melodische Augenblicke zu hören, etwas erinnert an eine Sirene, dann scheinen Streicher zu erklingen, man hört Wasserrauschen. „Rome 1921“ ist dagegen mit seinen dröhnend-dräuenden Sounds wesentlich düsterer. „Berlin 1968“ setzt mit dunklem Dröhnen ein, Blubbern, Quietschen, vielleicht ist da irgendwo ein Orchestersample. „London 1912“ ist von der Stimmung anders, beginnt mit melancholischen Klavierpassagen, Stimme, Metal wird geschlagen, eine Stimme intoniert wortlos.  Auf „Zurich 1916″ erzählt jemand, eine Frau lacht, sagt „a woman is made of pork chops“, jemand anderes spricht, nennt den „Mulholland Drive“, beklagt „I’m limited to doing indoor exercises“. Diesem Sprachsample entstammt dann auch der Titel des Albums. „Münster 1997“, auf Contrastates Auftritt  im Müsterer Cuba verweisend, kombiniert Knirschen, Schritte, vielleicht zupft jemand einen Bass oder eine Stahlfeder, kurzzeitig tauchen orientalisch klingende Stimmen auf. „Tehran 1966“ schließlich beendet das Album. Der Track beginnt lärmig, es gibt metallisch klingendes dissoanntes Dröhnen, eine verfremdete Stimme sagt: „you never shall return“.

Contrastate gelingt es, durch dieses Kollagieren, Zusammenfügen und Konstrastieren von scheinbar Disparatem dann vielleicht letztlich doch eine Brücke zu den Zeiten und Orten zu schlagen, an denen radikale Herangehensweisen an die Kunst und das Leben zu finden waren. (MG)

Label: Drone Records