MAN EAT MAN EAT MAN: s/t

Mit dieser Veröffentlichung hatten vor knapp vier Jahren wahrscheinlich nur wenige noch gerechnet: Das Debütalbum von Man Eat Man Eat Man, dem gemeinsamen Projekt von Lloyd James, Hunter Barr und Ben McLees, wurde vor mehr als zehn Jahren aufgenommen und verschwand aus ungeklärten Gründen in der Versenkung, lediglich ein Song fand damals seinen Weg auf einen physischen Tonträger. Vielleicht gab es immer wieder Nachfragen, so dass die drei Beteiligten sich 2020, in dem so viel Zeit für Unerledigtes war, dazu entschlossen, dem Werk doch noch eine späte Geburt zu verpassen.

James, Barr und McLees tanzen seit langem auf vielen Hochzeiten und sind oder waren mit Stammprojekten wie Naevus, KnifeLadder, Oblivion Guest oder This is Radio Silence in so unterschiedlichen Gebieten wie Postpunk, Folk, Industrial und diverser Electronica unterwegs. Man könnte Man Eat Man Eat Man nun als verruchten Wechselbalg all dieser auch nicht gerade braven Unternehmungen bezeichnen, und die Kollegen von Compulsion liegen durchaus richtig in der Feststellung, dass die Band weit mehr in sich vereint als eine Stilkombination der bekannteren Projekte.

“The Stomach”, das die erste Seite eröffnet, ist wohl das bekannteste der sechs Stücke, denn es erschien seinerzeit auf der Tursa- und Karpate-Compilation “With Friends Like These” und wurde zudem in einer um einigeres luftigeren Version von Naevus umgesetzt. Es leitet das Album mit einer Schwere ein, die vielleicht wegen des kratzigen Saitengefrickels mehr an Swans und Godflesh erinnert als an das, was man für gewöhnlich mit Industrial assoziiert, und die nur dank des interessanten Polyrhythmus nicht erdrückend wirkt. Diese Arbeit erledigt James’ melancholischer Gesang, der in einfachen Worten einen resignativen Hilfeschrei ausstößt (falls das Sinn ergibt) und fragt, wieviel der titelgebende Magen wohl noch verdauen muss – eine eindringliche Klage ob der Sisyphosarbeit der Alltagsbewältigung.

Ein Unterschied zu Naevus besteht in dem Kontrast, den James’ Gesang zur dystopischen Atmosphäre der Musik bildet, denn fast immer verströhmt sie die Aura einer fast andächtigen Erdung. Im bassknarzigen Uptempo von “Carmarthen” wirken die nur leicht melodisch eingefärbten und dezent nach hinten gemischten Spoken Words geradezu cool angesichts der unaufgeräumten Hektik und der rotzigen Gitarren, die wie Blitze durch das ohnehion stroboskopische Szenario zucken, und die Aussicht auf einen Trip nach Wales, wo Teile der Band herstammen, scheint in den Lyrics auch nicht gerade heimelig zu stimmen. In “Details”, wo dem Teufel mit dem Mikroskop nachgestellt wird, bilden die Gesangsparts einen schöngeistigen Gegenpart, den man im Gerumpel des betongrauen Goth Punk nicht erwarten würde. In der ersten Version des Doppelstücks “Pectin” geraten sie zu einer apokalyptischen Einheit mit der gitarrigen Schrottlawine. Vor der ruhigeren Kulisse des zweiten Mixes werden sie wie klare Schriftzüge auf eine Leinwand projiziert und entfalten so ihre ganze Drastik.

Die manifestiert sich vollends im finalen Höhepunkt des zwölfminütigen Titeltracks, einem kathartischen Kracher, der dem hypnotisierten Hörer den Bandnamen derart maschinell einhämmert, das man ihn kaum mehr vergisst. Ein gutes Omen, das eine Fortstetzung in Aussicht stellt? Ich bin da skeptisch aufgrund der langen Wartezeit auf das Debüt, aber wer weiß, man soll ja bekanntlich den Tag nicht vor dem Abend verfluchen.

Label: Wooden Lung / Retina II Records / Disconnected Music