CONSUMER ELECTRONICS: Surge

Seit Philip Best sein in den frühen 80ern begonnenes Projekt Consumer Electronics 2007 rekativierte, entstanden eine Reihe von Alben. Musikalisch entfernte er sich von den brachialen analogen Dissonanzen, die noch auf dem 2009 veröffentlichten „Crowd Pleaser“ zu hören waren: Die Musik wurde reduzierter, (ziemlich) kaputte Rhythmen bestimmten das Klangbild und irgendwann überließ er – dem hier attestiert wurde, dass seine “Vocals [...] mit zum Beeindruckensten gehören, was man in welchem Genre auch immer hören kann” – das Schreien und Brüllen seiner (damaligen) Frau Sarah, er selbst rezitierte seine Texte.

Im Vorfeld der Veröffentlichung von „Surge“ hieß es, das Album sei „Noticeably noisier and more aggressive than previous releases“, was bedingt stimmt:

„Michael“ knüpft thematisch etwas überraschend an die eigentlich schon zum abgegriffenen Topos geronnene Killerthematik an, die spätestens seit Whitehouse allzu gängig ist und zu solch eher peinlichen (Selbst-)Bezeichnungen wie “True Crime Electronics” führen sollte. Zu ultrarepetetiven, monotonen Beats, in die immer wieder Noise einbricht, gibt Best mit nüchtern-sachlicher Stimme Hinweise, wie man als Täter vorgehen solle: „the execution site must be carefully arranged“. Gerade dieses scheinbar Emotionslose macht das Stück umso beängstigender. „Kitten“, der einzige Track, dessen Text im Inlay der CD abgedruckt ist, verzichtet dgegen völlig auf Beats, stattdessen hört man seltsame kristalline Sounds im Hintergund und Atonales im Vordergrund. Best trägt hier wie ein Beobachtender eine Beschreibung des Schmerze(n)s vor: „kitten listened to techno music and tried to teach herself to dance using TikTok clips and taught herself HELP NEVER COMES“. Am Ende dann: “I remember her turning in her seat, and twisting like a rag doll twisting the breath coming in great, rapid gulps.” Das instrumentale „Launch Code“ ist minimales reduziertes Gebrutzel, skelettierte Musik, hier spuckt eine scheinbar völlig erratische, manische Maschine ihren Ekel aus. Auf „Dirt and Dust“ fiept es im Hintergrund, während Best ruhig rezitiert: „we should burn the shrinks, burn the bastards“. „Side Blaster“, mit „feedback“ von Ramlehs Gary Mundy, lässt Bests Stimme im Hintergund fast untergehen, sie wird Teil des zähen Klangsuds. “Contaminant“ knüpft an den Opener an, ist aber eine Spur aggressiver, was auch an den den Vocals liegt, auf denen im Ansatz der “dirty-word specialist“ von früher anklingt, der der angesprochenen Person entgegenschleudert: „you wanna make fuckin’ sure“ „you really really think that? Yeah, you wanna make sure?” Schließlich der Abschluss mit dem neunminütigen Titelstück, auf dem eine sich wiederholende todtraurige Melodie mit knackend-brechenden Sounds kombiniert wird „und Best ruft: “get up, get up, children, it’s time“.

Von Labelseite heißt es, die Texte seinen entstanden „in the shadow of intimate distress, global conflict, and resigned disintegration“. Wenn im letzten Stück gesagt wird „What good our expectations? What good our explanations? Come sit with me, kitten, it’s time“,  dann verspürt man hier nach den teils aus der Distanz vorgebrachten Beobachtungen ein Verletztsein, ein Hadern mit und an der Welt, an den “Perlen aus der Schweinekrone der Schöpfung” (Reinhard Jirgl).

Vielleicht ist “Surge” von allen Consumer Electronics-Alben das, was die Interessen des mit einer Arbeit über Ballard, Burroughs und Pynchon promovierten Best, dessen literarische Interessen in einem weiten Feld zwischen Elfriede Jelinek und Dennis Cooper liegen, am ehesten zusammenbringt, denn durch seine Art des Vortrags, des Vortragens entsteht ein Hybrid, in dem der Musiker, der Autor wie auch der Verleger manifest werden. (JM)

Label: Dirter