GIANNI GIUBLENA ROSACROCE: Tropico del Pianto

Hinter dem Nom de guerre Gianni Giublena Rosacroce verbirgt sich der Turiner Multiinstrumentalist Stefano Isaia, der hierzulande wahrscheinlich am ehesten noch als Klarinettist der orientalisierenden Psychedelic Rocker La Piramide di Sangue, vielleicht auch als Mitglied der Movie Star Junkies in Erinnerung geblieben ist. Isaia spielt aber neben seinen zahlreichen Bands seit mindestens einem Jahrzehnt solo und hat unter dem genannten Pseudonym eine Reihe an Tapes und anderen Alben, u.a. eine mehrteilige Hommage an Georg Trakl, herausgebracht.

Trotz seiner sprunghaft wirkenden Vielseitigkeit, die oft auf engem Raum von Folk und Kammermusik über Psych-, Garage und sonstigen Rock bis zum Noise springen kann, hätte wahrscheinlich kaum jemand mit einem verqueren Bossanova-Album gerechnet. Als ein solches kann man “Tropico del Pianto”, das aus zum Teil bis zu zehn Jahre alten home recordings und einem Livetrack besteht, durchaus bezeichnen. Man merkt es aber nicht gleich von Anfang an.

Eingeleitet wird das Album mit einem in aufwühlende Wehmut getauchten Vorspann, bei dem ein schönes Klaviersolo, das an Gurdjieff erinnert und ebenso gut aus einem Film der Siebziger stammen könnte, mit einer groovig rasselnden Perkussion zusammengeführt wird. Spanische Gitarren gesellen sich dazu, und irgendwie steckt bereits in dieser kleinen Miniatur das ganze Charisma der Musik, und die orientalisierende Klarinette, eines der Markenzeichen Rosacroces, leitet dann auch gleich in den Rest des Albums über, das eine furiose Mischung aus Dolce Vita und Weltuntergang bietet – und eine sympathische Liebe zum Lofi und zu Schrägheiten aller Art.

Das Spiel der Klarinette und der groovige Takt vieler Stücke wecken durchgehend Assoziationen zu abgründig-romantischen Filmen aus besseren Zeiten, bei denen man mit eben solcher Musik im Cabrio eine sonnige Küstenstraße entlang cruist, die sanften Ornamente des zentralen Instruments in “Esperame en tu sueños” lassen längst archetypisch gewordene Stimmungen aus dem kollektiven Gedächtnis des 20. Jahrhunderts lebendig werden. Doch dass bereits die Rhythmen oft wie aufgeklebt wirken und fast immer wie merkwürdig aus dem Takt geraten scheinen, gibt der Musik erst ihren einzigartigen Charme. In “Tropico Oscuro” beispielsweise, das mit dem wehmütigen Gesang von Galilea Mallol (Lame, Space Aliens From Outer Space) einen perfekten Pineapple Pop abgeben könnte, machen klappernde Ohrfeigen-Takte das Idyll kantig und bewahren es vor der Falle des nur noch Schönen.

Kanten subtilerer Art stecken aber schon in dem verliebten Gefühlsmix aus Schwermut und Euphorie, das sich ganz automatisch aus dem Zusammenspiel von Melodien und Rhythmen ergibt. In “La Llamada” macht sich (nicht erst beim Klingeln eines Weckers) eine gewisse Aufgekratztheit im feierlichen Pathos bemerkbar, im Titelsong wird das ganze noch untermauert von Isaias von einem gewissen Phlegmatismus durchdrungenen Gesang und einen Text über das Leben, die Liebe und den Schmerz – der Song ist Pineapple Blues pur und hätte in vielfacher Hinsicht auf Novy Svets “Into your Skies” eine gute Figur gemacht.

Wen all das noch nicht anfixt, der sollte – wenn ihm denn noch zu helfen ist – spätestens beim behäbigen Walzer “Rosa dei Venti” mit seinem Akkordeon und der bauchigen Klarinette das Herz aufgehen. “I am the wind that blows wild” singt der Antiheld in dem Live-Mitschnitt und stolziert trunken auf Stelzen ins Dunkel der Nacht. Jedes Fazit erübrigt sich. (U.S.)

Label: Chiærichetti Æditore Ræcordings