Hinter dem Namen Donkmeister verbirgt sich eine Künstlerpersönlichkeit, die in der Vergangenheit bereits in verschiedenen musikalischen Gefilden gewirkt hat. Unter seinem Familiennamen Verhülsdonk bezauberte er mit Beiträgen zu den Gruselthon-Compilations “Empire of the Four Moons” und “My Universal Hammer”. Dort entfaltete er in Tracks wie „Moonphasing or The Negative Albedo Prank“ eine düster-melodische Ambient-Landschaft und ließ mit „La Casa Abbandonata“ einen loopgetriebenen elektronischen Score erklingen, der zumindest den Verfasser dieser Zeilen an frühe John Carpenter-Werke erinnerte. Doch Donkmeisters Wurzeln reichen noch weiter zurück: Bereits in den achtziger und neunziger Jahren schuf er als Teil von Projekten wie Der Große Zerstörer, den Lawyers of Death oder Reverend Parsley’s Bible Society eigenwillige Musik im weiten Feld zwischen Synthwave, Postpunk, Outsiderfolk und anarchischer Experimentierwut. Der Fama zufolge soll er schon in seiner Jugend mit Klängen sein Unwesen getrieben haben.
Mit seinem lange überfälligen ersten Longplayer “To Go”, gerade erschienen beim bereits genannten Qualitätslabel, legt Donkmeister ein monumentales Werk vor, das, auch was die enigmatischen Referenzen der Tracktitel angeht, seine unverkennbare Handschrift trägt. Zwischen den Türmen analoger Synthies und historischen Klangerzeugern entstand ein Album, das nicht nur von technischer Opulenz, sondern auch von kreativer Kühnheit geprägt ist. Die sechs Stücke führen durch barock anmutende und gleichsam futuristische Parallelwelten, durch Spiegelkabinette voll hypnotischer Klangschleifen und dekonstruktive Soundlabore.
Der Opener „Isolationsfehler“, der die Atmosphäre der mittleren 80er atmet, beginnt mit einem einfachen Takt, zu dem sich rumorende Synthies gesellen. Die zunächst semi-minimalistische Bewegung wächst zu einem eleganten Tanz, der sich auf einem imaginären Laufsteg durch eine dunkle Halle bewegt. Raue, brattelnde Synth-Riffs schrecken für Momente aus der hypnotischen Verzückung, bevor sich die zombiehaft tänzelnde Dynamik fortsetzt. Mit „Samadhi Tank Rafting“ betritt Donkmeister episches Terrain. Das über zwanzigminütige Stück dreht sich um ein rasendes Cembalo-Motiv, dessen tranceinduzierender Wirkung man sich kaum zu entziehen vermag. Obwohl der Titel meditative Stille suggeriert, entfaltet der Track eine fiebrige Intensität, die immer wieder durch schillernde, obertönige Klangillusionen gekrönt wird. Fremdartige Sounds, entrückte Synthie-Melodien aus der Asservatenkammer klassischer Horrorfilme und mysteriöse, fast geisterhaft versteckte Vocals (ein aus fernen Dimensionen herbeigewehter Frauenchor, ein krächzender, grummeliger Geselle?) sorgen für eine surreale Cinematik, die sich perfekt als Score für einen Sci-Fi-Film mit subtilen Gothic-Anklängen eignen würde. Irgendwann scheint sich wie Rauchwolken eine gewisse Zerfleddertheit über die Musik zu legen, die davon immer mehr geschluckt wird, während sarkastische Fanfaren das ganze begleiten.
„Doubtmills“ spielt mit verspielt-trunkener Leichtigkeit. Es klappert, fiept und brummt wie in einem nostalgischen Computerspiel-Soundtrack, bevor barock anmutende Hochtöner gegen Ende die Szenerie immer mehr beherrschen – ein faszinierender Kontrast zur hymnischen Kürze von „Fanfare For The Corona Mn“, das sich mit entrücktem Synth-Pathos aufbaut, nur um in seiner Mitte bereits leise zu verblassen: Hier bekommt der Antiklimax seine ganz eigene Hymne. Das darauf folgende großartige Vanitasstück, dessen Titel so lange wie das Vaterunser ist, fasziniert durch sein düsteres Brummen, das von einer fast jauchzenden Orgel durchbrochen wird. Die psychedelischen Effekte, die versteckten rhythmischen Ansätze und hohen Synthie-Fanfaren, die sich irgendwann zu tremolierenden Ornamenten steigern, schaffen eine ständige Spannung zwischen Aufbruch und Zurückhaltung. Immer wieder scheint es, als würde das Stück lospreschen, doch die Orgel hält es in der Struktur einer Ouvertüre gefangen.
Das Finale „Hopelucination“, dessen Titel eine mehrkwürdig zirkuläre Brücke zum Opener schlägt und die versteckte Melancholie des Albums für den Augenblick eines Augenblicks deutlich aufblitzen lässt, führt in ruhigere Gefilde, zumindest auf den ersten Eindruck. Verrauscht und verträumt entfaltet es sich subtil, zieht bei genauerem Hinhören aber noch einmal alle Register, lässt Fanfaren trällern, hohe Synthie-Ornamente erzittern und Orgelsounds brummen. So fährt das Stück, das immer wieder für Momente an das Titelthema eines ungekannten Thrillers erinnert, noch einmal hoch, bevor es dann endgültig zerfällt, flankiert von einem stilvollen Huster.
Dass “To Go” formell gesehen ein Debüt ist, glaubt man kaum, denn seine zum Teil monumentale Opulenz, hinter der man eine feinsinnige Ironie vermuten darf, und mehr noch sein Ideenreichtum lassen schon auf den ersten Eindruck auf den Erfahrungsschatz eines vermutlich schon immer kompromisslos Verspielten schließen, der schlicht wenig Drang verspürt, die Aufmerksamkeit eines größeren Publikums zu suchen und selbst zu diesem ersten Soloalbum wahrscheinlich noch genötigt werden musste. Dass dieses dem Titel entsprechend auch en passant goutiert werden kann, ist dank seiner Eingängigkeit durchaus richtig, doch verpasst man dabei manch tiefere Ebene, die sich einem erst vollends erschließt, wenn man die vielen falschen Fährten, die Stockungen, Richtungswechsel und ungeahten Brücke angemessen wahrnimmt, die im markanten Pathos von “To Go” versteckt sind. Und genau deshalb empfehle ich die CD Gelegenheitshörern und deep Listeners zugleich als Score für die anstehende kalte Zeit. (U.S.)
Label: Gruselthon