CONTROLLED BLEEDING: Shitslipper

Es mag vielleicht etwas redundant sein, ein Tape zu besprechen, das Jahrzehnte alt ist, nur weil es gerade wiederveröffentlicht worden ist, aber vor dem Hintergrund, dass Controlled Bleeding, deren Output nach dem zahlreichen Alben der Vergangenheit seit den 00er Jahren kontinuierlich abnahm und zuletzt eher sporadisch war, nicht mehr existieren, sollte diese Geste der Nostalgie erlaubt sein. 

Paul Lemos sprach zwar vor ein paar Jahren davon, zumindest die beiden Skin Chamber-Alben mit neuem Material über Profound Lore wiederzuveröffentlichen, aber bislang ist das nicht passiert.

Vor etlichen Jahren meinte Lemos einmal, dass er als Musikfan Controlled Bleeding aufgrund der zahlreichen Genrewechsel hassen würde und sieht man von The Art Barbeque, dem Freejazzmindfuck als Breast Fed Yak, oben erwähnten Skin Chamber (die sicher zumindest partiell von den frühen Swans inspiriert waren) und den Soloveröffentlichungen ab, konnte man unter Controlled Bleeding zahlreichste Spielarten experimenteller Musik versammelt finden – von brutalem Noise zu Ambient, von EBM über Dub zu semigothischer Musik, um nur ein paar Genres zu nennen.

Nach der Implosion der ersten Inkarnation der Band gegen Ende der 70er, mit der man eine von Prog beeinflusste Musik gespielt hatte, debüttierten die New Yorker 1983 mit der wüsten Noiseorgie “Knees And Bones”. In den nächsten paar Jahren wurden dann zahlreiche Tapes veröffentlicht. „Shitslipper“ erschien ursprünglich 1985 auf John Zewizz‘ Inner-X-Music und wurde 2009 im Rahmen der umfangreichen CD-Box “Gibbering Canker-Opera Slaves (Studies In Meditation And Evisceration)” mit Bonusmaterial wiederveröffentlicht. Anlässlich dieser Veröffentlichung schrieb Lemos in den Linernotes: „Recorded between 1983-1985, this material was re-mastered from the original tape which contained an extra 12 minutes of noise that did not appear on the actual ‘Shitslipper‘ C-60 (Inner-X, 1985) release. Joe Papa returns for the first time since the collapse of the previous ‘Live at Heckle and Jekyll’s’ line up. We are also experimenting with tape speeds and multi-tracking for the first time. For the extreme music listeners, this stuff might have indicated the beginning of the end for us… Parts of ‘Shitslipper’ still sound okay to me, but in truth, a lot of this stuff sounds like fucking about, the best segments of this release were used on our second album ‘Body Samples’, which really marked the end of our pure noise experiments.“ Nun erscheint “Shitslipper” nach “Distress Signals” und “Sense May Come” als weiteres Tape bei Deathbed Tapes.

„Art“ ist eine irre Krachmelange, ganz so, als sei tatsächlich alles an Klang(quellen) in den Mix geworfen worden, was zur Brachialität und Atonalität beitrug. „Sheep“ dagegen ist ein aus unterscheidlichen Teilen bestehender Track, auf dem Joe Papas zwischenzeitlich seine Scatfähigkeiten unter Beweis stellen kann. In den Linernotes des letzten Teils der legendären von Lemos kuratierten “Dry Lungs”-Serie wurde ihm attestiert, “one of the fastest mouths in the North Eastern US” zu haben. Dieser Track ist weitaus weniger rabiat, ist näher an den Soundtrackarbeiten Throbbing Gristles als an Japannoisern. Erst im letzten Teil werden die Dissonanzen dominanter, um dann gegen Ende melodischen Passagen Platz zu machen. In „Pool“ werden melodischere und harschere Passaagen kombiniert, um eine unruhige seltsame Stimmung zu erzeugen. Die drei Bonustracks sind Remixe, die auf “Gibbering Canker-Opera Slaves” als „extreme“ remixes” ttiuliert waren und auch dementsprechend den Fokus auf das Brachiale legen.

Das Originaltape hat zum Teil durchaus einen fragmentierten Charakter und es gehört sicher nicht zu den essentiellsten Veröffentlichungen Controlled Bleedings, gleichzeitig wird deutlich, was Lemos meint, wenn er in den Linernotes zur “Curd”-Wiederveröffentlichung meinte, zur damaligen Zeit sei die Arbeit der Band von einer “creative spontaneity” geprägt gewesen, die er vermisse. (MG)

Label: Deathbed Tapes