Als wir kürzlich Michael Cashmores endlich in vollständiger Form veröffentlichtes Album “The Snow Abides” besprachen, da ließen wir auch Cashmores insgesamt zumindest partiell etwas erratischen musikalischen Werdegang Revue passieren: In den letzten Jahren hat der Brite, der mit „Beauty Reaps The Blood Of Solitude“ Mitte der 90er eines der vielleicht besten Apocalyptic Folk-Alben komponiert und aufgenommen hat, sich vermehrt elektronischer Musik zugewandt – etwa auf den beiden auf Klanggalerie veröffentlichten Alben oder auf dem auf House Of Mythology erschienenen „The Night Has Rushed In“, auf dem Anohni zu einem Stück Vocals beisteuerte. In jüngster Zeit komponierte Cashmore mit elektronischen Mitteln Symphonien: Die einzige bisher veröffentlichte namens „The Sword Becomes A Shield“ wurde auf unseren Seiten besprochen (und ist seltsamerweise augenblicklich nur bei den lediglich Brosamen verteilenden Musik(zer)störern von Spotify und nicht mehr auf Bandcamp zu finden).
„Until The End Of Vibration“ ist, was schon an der Form liegt, etwas anders als die oben angesprochenen Arbeiten ausgerichtet, weist aber dennoch eine gewisse Verwandtschaft auf. Cashmore will das aus insgesamt (bezeichnenderweise) 23 kurzen Stücken bestehende Album als „one piece“ verstehen, das Label Lumberton Trading Company spricht von „vignettes“, von einem „soundtrack to a drama seeped in melancholy “. Letztlich spiegelt das Album verschiedene Facetten des musikalischen Schaffens Cashmores wider. Prinzipiell ist sicher insbesondere das frühere Werk des Briten durchzogen von einer melancholischen Grundstimmung, von diesem „angeschwärzte[n] Gefühl“ (U. Horstmann), wenngleich die späten Alben auch vor dem Hintergrund von Cashmores Selbstheilungsversuchen mit „divine audio frequencies“ doch oft etwas “positiver” klingen; insofern mag ein Titel wie „Escaping Negativity“ (auf “Until The End Of Vibration”) durchaus programmatisch zu lesen sein. Cashmore war schon immer interessiert an konzeptionell dichten Veröffentlichungen. Man schaue sich etwa diese eher obskure Veröffentlichung aus dem Jahr 1987 an.
Der Opener „The Eternal Universal Vibration“ eröffnet das Album mit sphärisch-elektronischen, leicht bombastischen Momenten, „The Sacred Swallow Is Born Bathed In Sacred Sunlight“ ist ein aus mehreren Teilen bestehendes Stück, auf dem minimalistische Pianopassagen und elektronische Streicher überraschend mit einer wuchtigen E-Gitarre und Schlagzeug kombiniert werden. Eine Reihe Stücke ergänzen das dezente Klavierspiel Cashmores mit Streicherpassagen (wie etwa „To Journey Home Infinitely“; „Through The Mystery Of Miracles“ ist ein besonders gelungen-ergreifendes Beispiel). Stücke wie „In Which We All Will Be Found And Lost“, „As We Return Home Once More“, „Immortal, Innocent And Free“ oder „We Shall All Feel The Warm Grass Under Our Childhood Feet Once Again“ erinnern dann mit ihrem zurückhaltenden Klavierspiel und den Geigen auch auf Cashmores in unvollständiger Form veröffentlichtes Nature And Organisation-Album „Death In A Snow Leopard Winter“ oder aber, wenn man Anknüpfungspunkte der letzten Zeit sucht, an “The Sword Becomes A Shield”. Dagegen sind das die Schildmetaphorik gereade erwähnter Symphonie aufgreifende „The Creation Of The Diamond Shield Made From Swords“, „As Both Brutality And Breauty“ oder das von pulsierenden Beats durchzogene „Energy Fills Me As My Body Drops Through Infinite Skies“ viel offensichtlicher elektronisch und von einer positiveren Grundstimmung.
Die Titel der instrumentalen Stücke kreieren eine Welt, in dem man mit „Energie“ gefüllt ist, man von der „illusion of time“ befreit wird und sich mit dem „Eternal mystery of miracles“ konfrontiert sieht. Das klingt manchmal schon arg nach New Age (“Suffering Is The Essential Path to Divine Love” könnte sich auch als Titel der in Legionen existierenden Ratgebern finden), aber man kann als Hörender sicher dieses Album goutieren ohne diese Ideen vollends zu teilen. (MG)
Label: Lumberton Trading Company