MICHAEL CASHMORE: The Sword Becomes A Shield (Symphony Number I)

In einer früheren Rezension schrieb ich einmal, dass der emotionale und ästhetische Kern von Michael Cashmores Kompositionen am ehesten in einer fragilen, zum Teil kindlich anmutenden Liebe zu kleinen Details zu finden ist, ferner in einer Vorliebe für einfache Strukturen, deren Simplizität beim Hörer allerdings einiges an Weite und Offenheit voraussetzt. Seine Musik mochte pastoral oder schlafliedartig erscheinen, leicht zugänglich oder gar trivial war sie nie.

In den vergangenen Jahren, spätestens nach seinen verschiedenen Exkursionen in elektronische Musik, wurde es immer schwieriger, Cashmores Arbeit auf greifbare Stilelemente festzulegen. Mit dem vor kurzem digital erschienenen Album “The Sword Becomes A Shield” hat er sein erstes symphonisch aufgebautes Werk produziert, das er – nicht untypisch für seine Affinität zu sorgsamer Puzzlearbeit, aber sicher auch, um den finanziellen und organisatorischen Aufwand der Arbeit mit einem eigenen Orchester zu umgehen – aus eigenen Instrumentalbeiträgen und gut ausgewählten Zitaten von Archivmusik zusammengebaut hat. Damit liegt nun gewissermaßen ein neues Kapitel von Cashmores Musik vor, gleichsam ist dieses Album das erste seit längerer Zeit, das deutlicher an frühere Arbeiten anknüpft.

Ein kindliches Glockenspiel und eine nachdenklich pastorale Weise auf dem Piano eröffnen die Musik, die sich schon bald im Raum ausdehnt und diesen mit orchestralen Klängen ausfüllt, die die von Beginn an spürbare Besinnlichkeit in etwas trostreiches verwandeln. Das liebliche Glockenbimmeln scheint von Beginn an einer Art Leitmotiv der Musik zu sein und reicht weit zurück in den Erinnerungsfundus von Cashmores Arbeiten, es weckt kleine Deja-vus an seine Kompositionen für Current 93-Alben wie “Of Ruin Or Some Blazing Starre”. Der gut zwölfminütige Opener “Withdraw The Sword Of Mirrors I” ist kein Stück zum nebenbei hören, wenn man den Faden zwischen den unterschiedlichen Abschnitten – besänftigende Streicherparts, die kurzzeitig die Bühne ganz für sich haben, dann tieftönende, ernste, fragende Passagen von einer gewissen Wucht – nicht verlieren will und das Spiel mit Illusionen – wird der Sound mit der Zeit immer voller und breiter oder scheint es nur so? – mitspielen will.

Im Verlauf der Stücke scheinen neben dem Grundgerüst aus Piano, Streichern und Bläsern sowie dezenter Perkussion auch passagenweise Elektronik und – ohne Gewähr – der Klang von Idiophonen seinen Raum zu haben. Viele der damit erzeugten leitmotivischen Details kehren in vertrauter Regelmäßigkeit wieder, bisweilen deutlich, manchmal aber auch subtil in neue Strukturen eingebaut. Auch stimmungsmäßig wird ein gewisser Grundton durch alle vier Tracks hindurch gewahrt, auch dann, wenn zwischendrin eine unterschwellige Heiterkeit, ein Optimismus unter den ernsten Dingen, anklingen darf. Oder in den dramatischen Momenten, in denen wilde Pauken donnern, als ob jetzt noch einmal Gefahr lauere, bevor auch sie wieder wie alles andere in den friedvollen Fluss integriert werden.

Man kann das Album natürlich nicht ohne seinen inhaltlichen Überbau betrachten, gleichwohl die Formel von den Schwertern und den Schilden, die lediglich in den Titeln des Albums (und variiert in drei der vier rein instrumental gehaltenen Tracks) vorkommt, recht offen und andeutungshaft gehalten ist. Eine biblische Assoziationen weckende Bildlichkeit des Schutzes, der Absage an Gewalt (“It’s Blade Could Never Harm You”) und, auch wenn dies zugegebenermaßen eine recht spekulative Deutung ist, Narzissmus (das schon erwähnte “Withdraw The Sword Of Mirrors I”) klingt an und entfaltet mit der sanft-melancholischen Musik eine friedvolle und freundliche Atmosphäre. Und alles scheint in das Licht einer frohen und zugleich endzeitlichen Erwartung getaucht – “Until The Final Dawn” heißt ein weiteres Stück, dessen unterschwellige Inbrunst etwas kraftvolles in die wehmütigen Streicher- und Bläserparts bringt.

Ob diese Arbeit ihrem Untertitel gemäß eine Fortsetzung haben wird, steht vermutlich noch in den Sternen. In umgekehrter Richtung der Zeitachse knüpft das Album wie schon erwähnt an Vertrautes aus gerade den Phasen von Cashmores Diskografie an, die sicher einige als seine “klassische” Zeit ansehen – man denke z.B an das “Snow Leopard Winter”- Album von Nature and Organisation oder an einige Instrumentalparts der EP “The Snow Abides”. Von dieser bislang fragmentarischen Veröffentlichung ist für die nähere Zukunft eine vollständige Version geplant, und neben einigen anderen Qualitäten macht das vorliegende Album auch darauf gespannt. (U.S.)

Label: House of Mythology