AARKTICA: In Sea Remixes

Ein Remixalbum zu besprechen ohne das Original zu kennen ist immer eine etwas heikle Sache, und im Falle von AARKTICAS „In Sea Remixes“ landete der Tonträger auch eher zufällig auf meinem Tisch. Dass ich das Thema dennoch nicht unter selbigen fallen lassen möchte ist, soviel vorweg, der Qualität der Arbeiten geschuldet, und immerhin wurde die Band des Amerikaners Jon DeRosa im deutschsprachigen Blätterwald bislang auch sträflichst vernachlässigt. Grund genug, das Werk etwas provisorisch wie ein Phänomen zwischen Album und Compilation zu betrachten und dennoch unter die Lupe zu nehmen.

Ob das beim schlicht „In Sea“ betitelten Original ebenso ist, kann ich wie gesagt nur erahnen – im Falle der von teilweise prominenter Hand überarbeiteten Fassung jedenfalls ist ein gewisses narratives Moment nicht zu leugnen, welches aufgrund des Titels nun leicht mit Seefahrts-Assiziationen gefüllt werden kann. Die vierzehn Stücke nehmen einen kaum zu überhörenden Verlauf, der seinen Ausgangspunkt bei einer ambienten, tagträumerischen Atmosphäre nimmt, bevor es zu schön wird einen Exkurs in etwas poppigere Gefilde unternimmt und sich der kurzen Freude am Tanz hingibt, sich dann in metallener Schwere einen meditativen Gegenpol erarbeitet um schlussendlich auf ein offenes Ende hinzusteuern: eine die Wortlosigkeit ablösende Einmündung in herkömmlichen Songlyrics, die aber zugleich eine adaptierende Verneigung vor DeRosas Idol DANZIG darstellt und auf rationale Weise gleich dreimal die Frage nach dem Irrationalen stellt – „Am I Demon?“ Das eher dem Tagtraum zugeneigte Kapitel beginnt gleich mit einem Höhepunkt des Werks, die Type Records-Exponenten RAMSES III sind vermutlich auch gerade die richtigen, um „I Am (The Ice)“ zu dem Reich wundgescheuerter Träume zu machen, als das es sich hier gebärdet. Wundgescheuert deshalb, weil der entspannte Klangteppich aus Keyboard- und Gitarrenflächen immer wieder durch kratzige und kantige Störfaktoren unterwandert wird, die am Ende aus der Reserve der Subtilität ins Bewusstsein dringen und ein allzu glückseliges Abdriften unterbinden. In eine ähnliche Stoßrichtung tendieren die Bearbeitungen von Newcomern wie SLICNATION und SUMMER CATS, erstere durch die nie vollends einschmeichelnde spacig-metallische Klangmauer, die sich wie ein von Hochfrequenztönen durchwirktes Harmoniumdrone anhört, letztere durch ein nun beinahe deplaziert wirkendes Idyll aus Vogelstimmen und Brandung, lokalisiert irgendwo in den Hohlräumen unseres Planeten. Die rhythmischeren Abschnitte beginnen zunächst gedämpft, und der Reisende scheint sich nicht ganz sicher zu sein, ob er diese Richtung überhaupt einschlagen möchte, zumindest deutet das Mason Jones’ Überarbeitung des Titelsongs mit seiner exzessiven Nutzung von rückwärts gespielten Passagen an. Die altgedienten YELLOW6 gehen den Weg vielleicht etwas selbstsicherer weiter, aber Straightness wird auch hier nur in Anführungsstrichen geboten mittels Tremolo und gebrochen kollagierten Rhythmen, die wie ein in Beton gegossenes, halb lahmes Stakkato nur mithilfe eines Klaviers mit Leben gefüllt werden. Los lässt der Reisende erst mit dem asiatischen Triphop von PLANAR, bei dem zum ersten Mal Frauengesang zu hören ist. Die Bremse der Schwerkraft ziehen dann THISQUIETARMY, und die verrauschte Gitarrenwalze, die wie eine Steppenhexe auf Valium immer noch eher dezent als brachial durch die Gehörgänge rollt, markiert dann auch den zweiten Höhepunkt der CD. Neben weiteren Zeitlupenriffs und einem etwas deplazierten Dance-Hit sorgen dann drei Überarbeitungen des besagten DANZIG-Klassikers in dritter Instanz für alternative Schlussgebungen. DECLINING WINTER setzt auf organischen Klang und Abstraktion, PAN besinnt sich trotz mehrstimmigen Gesangs auf das Danziger Urbild, LANDING lässt dann alles in einer rauchigen Wolke ausklingen.

Dies ist kein Sampler, auch wenn sich meine Beschreibung vielleicht so anhört. Wer interessiert ist, sollte sich auch (so wie ich nun) auf die Suche nach dem Original machen. Empfehlenswert allen, die gerne ihre Schuhe anstaunen, noch nicht genug haben von der vermeintlichen Überwindung des Rock mit eigenen Mitteln und für die Dröhnung und Tagtraum keine Gegensätze darstellen. (U.S.)