THE GREAT PARK: The Cellar

Bereits vor einigen Wochen stellten wir den zwischen England, Irland und dem deutschsprachigen Raum pendelnden Sänger Stephen Burch und sein Folkprojekt THE GREAT PARK in einem Interview vor. Wie seine ausgiebigen Konzerttourneen sind auch seine Tonträger, die alle auf seinem eigenen Label Woodland Recordings erscheinen, von einem sympathischen Do it Yourself-Esprit durchzogen. So erschien sein aktuelles Album „Cellar“ auch wie die vorausgegangenen Arbeiten in einfacher aber stilvoll-handgemachter Verpackung und limitiert auf hundert Exemplare.

Ohne einleitendes Brimborium konfrontiert Burch seine Hörer gleich beim Opener „Song for Fee“ mit einer seiner größten Stärken – dem unverblümten und unverklemmten Bekenntnis zum Emotionalen und zum Schönen, ohne dabei in aufdringlichen Schmalz zu verfallen. Die gezupfte Gitarre, im Unterschied zu einigen früheren Werken hier meist sein einziges Instrument, bleibt zunächst ganz dezent im Hintergrund und bietet seinen ergriffenen Vocals die angemessene Grundierung. Noch wird sie beinahe monoton angeschlagen, aber im weiteren Verlauf offenbart sich Vielfalt in Melodie und Spielweise. Burch ist ein guter Texter, der gerne mit Kontrasten arbeitet, so wirkt hier die Phrase „she lights fireworks“ als wiederkehrender Strophenendpunkt umso euphorischer durch die ernste, im Grunde Melancholie implizierende Vortragsweise. Durch gut eingesetztes Strumming gibt es aber auch Stücke, welche die Bewegung feiern und einen eher fröhlichen Ton anschlagen, so zum Beispiel „Boys, I Am Worried“, bei dem Burch seiner Lust am Erzählen frönt und Geschichten präsentiert, die nicht unbedingt so fröhlich sein müssen wie die Musik. Ein ähnliches Spannungsgefüge bietet „St. Mary“, dessen entspannte Handperkussion zu den helleren Momenten des Albums zählt und den Song fast kompatibel macht für gemütliche Bistro-Beschallung, wenn da nicht der durchdringende Gesang und der von religiösen Reflexionen durchzogene Text wäre. Oft kommen ein morbider lyrischer Grundtenor und ein feierlich-ernster Ton allerdings zusammen, beispielsweise beim dezent perkussiven „Cargo“ oder dem von beschwörenden Rasseln begleiteten „Wires“: „When she showed me her house, I didn’t see the wires/When she showed me her bed, I didn’t smell smoke“ erklingt es gleich zu Beginn. In vielen der Songs geht es um Liebe, doch Eros und Thanatos gehen immer Hand in Hand, und die erstrebenswerte friedvolle Harmonie wird niemals ohne ihre Fallstricke und Hindernisse, ohne ihre dunklen, wild verwucherten Kehrseiten gezeichnet. Leichen im titelgebenden Keller melden sich öfters zu Wort und heischen um ihr Recht wahrgenommen zu werden – dunkle, traurige, versteckte Dinge, wie es im großartigen „The Dogs“ heißt, das bereits auf einer gleichnamigen EP erschienen ist. Umso schöner klingt dadurch ein Song wie der Opener nach, und umso überzeugender wirkt das Freudvolle, wenn die dunkleren Seiten nicht unter den Tisch fallen. Doch „Cellar“ ist auch niemals zu fordernd, und lässt dem Hörer zwischendurch immer wieder Zeit, sich einfach der Schönheit der Musik hinzugeben. Wenn „Wires“ am Ende in das gehauchte Summen der Backing Vocals übergeht, wirkt es wie ein Gegenzoom, und wir sehen die schon im gespenstischen Dämmerlicht halb versunkene, archetypische Parklandschaft aus der Totalen, vielleicht aus den Augen eines Landschaftsmalers, neuromantisch, aber mit einem Sinn fürs versteckt Surreale.

Beim Versuch, das ganze stilistisch auf den Punkt zu bringen, könnte man bei einer Beschreibung landen wie „leicht androgyne und je nach Melodie auch etwas wunderlich wirkende Stimme mit ‘a very British accent’ zu schlicht-schönen Gitarrenkompositionen, und über all dem ein Hauch von Wehmut und Verfall“. Oder dergleichen. Ich weiß nicht, ob es Black-Leser gibt, die dabei nicht unweigerlich an Zeiten denken, in denen die Herren David Tibet und Michael Cashmore noch unzertrennlich wirkten, und auch ich bin über einen CURRENT 93-Vergleich auf THE GREAT PARK gestoßen (worden). Zugegeben machte mich das anfangs etwas skeptisch, denn im Vergleich mit den mittleren Current 93 muss zwangsläufig das weniger Obsessive, Exzentrische auffallen, und man könnte den unberechtigten Eindruck eines etwas braven „Rip Off“ bekommen. Mittlerweile weiß ich, dass Stephen seine Stimme keinen Deut verstellt, und die gesangliche Nähe wohl eher zufällig besteht, und beim mehrmaligen Hören kristallisieren sich immer neuere Facetten der Musik heraus, welche das Eigenständige erkennen lassen. Den Vergleich also unter den Tisch fallen lassen? Wozu, wo er sicher den ein oder anderen Leser neugierig machen wird… (U.S.)