ANTONY AND THE JOHNSONS: Thank You For Your Love

Antonys Imagewandel vom engelsgleichen Sonderling zum Liebling der Popschickeria hat etwas Märchenhaftes, und mit ein paar tragikomischen Wendungen mehr gäbe seine Geschichte glatt einen gelungenen Almodovar-Stoff ab. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die etwas schade sind.

Zum Beispiel das Drosseln der eruptiven Song-Höhepunkte bei neueren Aufnahmen, was bei den letzten Konzerten sogar ein ursprünglich so emphatischer Song wie “Twilight” zu spüren bekam – als könnte man dem mittlerweile so großen Publikum ein bisschen eigenwilliges Pathos nicht mehr zumuten. Schließlich bekam die Fangemeinde durch die recht standardisierten Orchestersounds unter der Leitung von Nico Muhly genug Eingängiges serviert. Und überhaupt, könnte man sich nach Grönemeyer-Duett und Beyoncé-Cover, nach Prada und Lavazza eigentlich noch jemanden wie Baby Dee im Line-up der Band vorstellen? Oder den Gastauftritt eines gewissen David Michael, den der Sänger pflichtbewusst lobt, falls ihn denn noch mal jemand nach ihm fragt? Und warum wurde eigentlich “The Snow Abides”, Antonys Zusammenarbeit mit Michael Cashmore, die doch recht nah am Sound der Johnsons war, nicht etwas ausgiebiger beworben?

Zweifelsohne, Antony verdient seinen Erfolg, und nichts ist diesem Magazin fremder als subkultureller Purismus. Seit Antonys Name jedoch in aller Munde ist, skandieren diejenigen ihn am lautesten, denen die ursprünglichen Kontexte seiner Musik am Fremdesten sind. Meines Erachtens stehen aber gerade ihre Spuren immer noch symbolisch für vieles, was ihn aus dem großen Indie-Allerlei heraushebt, in dem viele seine Musik heute rubrizieren. Es wäre schade, wenn das immer mehr aus dem Fanbewusstsein verschwinden würde.

Zur Einstimmung auf das für Oktober angekündigte Album „Swanlights“ wurde jüngst die vorliegende EP veröffentlicht. Der Opener und Titelsong knüpft ein wenig an „Fistful of Love“ vom zweiten Album an – eine im Midtempo vorgebrachte Verneigung vor den klassischen Tagen des Soul, in denen Künstler wie James Brown das Genre bis in unsere Zeit neu definierten, und zugleich eine so herzliche wie nachdrückliche lyrische Liebeserklärung, deren Adressat wie bei so vielen Songs von Antony offen bleibt. “You Are the Treasure” zielt in die gleiche Kerbe, ohne allerdings mit der ansteckenden Euphorie des Openers mithalten zu können. Der eigentliche Höhepunkt findet sich aber in der Mitte der kleinen Veröffentlichung: “My Lord My Love” mit seiner schönen Gesangsmelodie und seinen auf viel Hall gestimmten Pianoparts erinnert an ältere Tage, war wohl auch ein Bonustrack bei einer besonderen Auflage des letzten Albums. Streicher wie Julia Kent und Maxim Moston tragen dazu bei, die Geborgenheit fühlen zu lassen, die hier gefeiert wird. Gegen Ende spürt man sogar ein wenig von der alten Exaltiertheit, nur ganz knapp angedeutet, so wie der ganze Song den Eindruck macht, nur einen Teil von dem zu offenbaren, was er in sich birgt.

Schon bei der letzten EP „Another World“ schienen die Songs um den Mittelteil zentriert zu sein. Damals bildete der Bluesrocksong „Shake That Devil“ den Höhepunkt und fiel gleichsam aus der ansonsten recht homogenen Soundgestaltung heraus. Diesmal trennt sozusagen ein Stück klassischer Johnsons-Kammermusik den einleitenden Soulpart von einem gitarrenorientierten Schlussteil, bestehend aus zwei recht originalgetreuen Coverversionen.

Bei der minimalistischen Interpretation von Bob Dylans “Pressing On” dachte ich, dass Antony schon enthusiastischere Coverversionen aufgenommen hatte, und dass klassischer Akustikfolk nicht unbedingt seine größte Stärke ist. Das Stück ist mit Vibraphon und punktuell eingesetzten Choreffekten ein netter Torch Song, der aber auch nicht zu den eindringlichsten Momenten der Band zählt. Überzeugender ist die Umsetzung von John Lennons berühmtem „Imagine“. Die Grundierung bietet hier William Basinski mit einem dronig-zittrigen Klangteppich, der nur vage zu hören ist unter der gezupften Gitarre und Antonys melancholischem Falsett, mit dem er den bekannten Lyrics über die Einheit und Gleichheit der Menschen einen trotz aller Hoffnung traurigen Beiklang verleiht. „Imagine all the people, living life in peace…“

Insgesamt würde ich „Thank You For Your Love“ sicher nicht als das Highlight unter den kleineren Veröffentlichungen der Gruppe bezeichnen, aber das ist das Urteil eines erklärten und nicht ganz unbefangenen Fans der ersten Jahre. Freunde des letzten Albums werden sicher auch das kommende lieben, das zusammen mit einem Bildband erscheinen wird, der Gemälde, Zeichnungen, Kollagen und Fotos von Antony enthalten wird. Auf einen Song wie „Cripple And The Starfish“ sollte man jedoch nicht allzu sehr hoffen. (U.S.)