LISA O PIU: Behind The Bend

Kein Jahr nach ihrem Debüt „When This Was The Future“ legt die schwedische Folkband um LISA ISAKSSON nun mit dem als Minialbum konzipierten „Behind the Bend“ nach. Fallen einem Unterschiede ins Auge, so betreffen diese wohl zunächst den visuellen Rahmen – dort zeichnet sich nämlich eine noch stärkere Abkehr von zivilisatorisch konnotierten Bildmotiven ab. Die Wegweiser zeigen in Richtung Natur, ebenso sehr in Richtung eines neuromantischen bis äthetizistischen Retro-Jugendstils.

Auf die Musik des Quintetts bezogen betont dies im Grunde nur die bekannten Schwerpunkte des naturverbundenen Melancholic Folk, den man vorschnell als eskapistisch und weltabgewandt abtun könnte. Die friedvolle Stimmung, die „Was It The Moon“ zu Beginn mit dem virtuosen Spiel auf Gitarre, Querflöte, Violine und Tamburin evoziert, gleitet jedoch nie ins Trivial-Romantische ab und bewahrt sich schon durch den klaren Gesang Lisas, der bereits mit VASHTI BUNYAN und Jacqui McShee (PENTANGLE) vergleichen wurde, eine konstant aufrecht erhaltene Wachheit. Dies hält die Musik allerdings nicht von gelegentlichen Brüchen in Tempo und Melodie ab, bei denen der Hörer sich schon mal ganz unerwartet in einer Welt wiederfinden kann, die von einem Maler wie John Waterhouse entworfen scheint, oder einer Novelle des ganz jungen Heinrich Mann entstammen könnte. Vielleicht am Größten ist der Art Nouveau-Charakter bei „Child of Trees“, dessen Ornamente auf der Harfe zu den Höhepunkten zählen. In solchen Momenten ist die Stimmung ganz entrückt und erinnert an die intensivsten Augenblicke des Subterranian Folk der ESPERS, aber auch an IN GOWAN RING, mit denen sich LISA O PIU gelegentlich die Bühne teilen. Die Welt hinter der Biegung des Flüsschens hat pittoreske Momente, die sich v.a. in der soundscapigeren zweiten Hälfte entfalten. Bei „World Falling Down“ etwa übernehmen die Improvisationen auf den Instrumenten komplett das Ruder und legen die klanglichen Bausteine der schönen Musik bloß. Doch reflexive Schwerpunkte gibt es ebenso, beispielsweise im anscheinend sehr persönlichen, aber stets ungekünstelten Text zu „Simplicity“, dessen Titel Programm ist, oder in den Meditationen über die Zeit, die „Dream of Goats“ samt der Zeite „when this was the future..“ mit dem Debüt verknüpfen. Ganz groß sind bei letztgenanntem Song übrigens die in ihrer Hintergründigkeit kaum hörbaren, aber dennoch ungemein wirkungsvollen Violinenparts.

Muss man die Platte als essenziell auch für Freunde von JOANNA NEWSOM und anderen bekannten Exponenten folkloristisch inspirierter Klänge empfehlen? Man muss sicher nicht, aber sollte sich in diesen Kreisen noch keine allzu große Festgefahrenheit verbreitet haben, so gäbe es für ihre Anhänger bei LISA O PIU sicher einige interessante neue Facetten zu entdecken. „Behind the Bend“, das ich angesichts seiner wunderbar ausgefüllten halben Stunde Musik kaum als Minialbum betrachten mag, sollte ein guter Einstieg sein. (U.S.)