WRAITHS: Dust in Our Mouths

„I will show you fear in a handful of dust“ T.S. Eliot

„The nethermost caverns […] are not for the fathoming of eyes that see; for their marvels are strange and terrific. […] Great holes secretly are digged where earth’s pores ought to suffice, and things have learnt to walk that ought to crawl.” H.P. Lovecraft

Labels wie Aurora Borealis sind die Heimstatt von Grenzgängern, die enge Genrekorsetts zu Recht sprengen: MENACE RUINE, WOLFMANGLER, BURIAL HEX, KTL oder SYLVESTER ANFANG II sind nur ein paar der Bands und Projekte, die in den letzten Jahren dort Alben veröffentlicht haben. Das schottische Duo WRAITHS passt gut in diese Gesellschaft, denn fast alle der genannten Künstler haben neben ihrem (bewussten oder unbewussten) Widerstand gegen einfach(st)e Kategorisierungen auch immer ein Interesse an dem, was gemeinhin abseitig, düster oder transgressiv genannt wird – das kann oftmals durchaus eher von B-Movies inspiriert sein als von ehemals (ver-)störender und inzwischen in den warmen Schoß der Hochkultur aufgenommenen Kunst.

WRAITHS verzichten auf Computer bei der Klangerzeugung und –bearbeitung und das sollte nicht nur als Reaktion auf Myriaden von Musikern zu verstehen sein, denen Myspace et al. für ihre am Rechner mit Hilfe von Cubase zusammengefrickelten leidlich spannenden Klanglandschaften eine –zumindest theoretisch – riesige Zuhörerschaft offeriert, sondern das ist auch ein den Klang des Albums bestimmendes Mittel. Stimmungsmäßig und was musikalische Ausrichtung anbelangt, knüpft „Dust in Our Mouths“ an die jüngst hier besprochenen BLACK MOUNTAIN TRANSMITTER an: ein langer Track, der einzig und allein den Zweck zu haben scheint, einen locus horribilis zu erzeugen, einen Ort, an dem Unaussprechliches geschieht. Glöckchen laden zur Messe, zu unterirdischen Ritualen, ein Verstärker wird eingeschaltet, in tiefen Höhlen klopft jemand oder etwas, verzerrte Stimmen tauchen kurz auf, Melodien winden sich durch die subterranen Gänge, etwas scheint kurz vor der Eruption zu stehen. Dann ab der Hälfte rabiat einbrechende Noisespuren, die Steigerung der Intensität ins Atonale (früher hätte man vielleicht die Genrebezeichnung Death Industrial verwednet), bevor gegen Ende das Chaos verebbt. Die ruhigeren Passagen könnten auch denen gefallen, die die frühen Arbeiten von AIN SOPH schätzen und diese im weitesten Sinne rituelle Fokussierung  der Musik  spricht sicher eher archaische Regionen unseres Hirns an. Was bei WRAITHS auffällt, ist, wie der ganze Überbau des Finsteren völlig ironiefrei präsentiert wird – ein Stück auf einem früheren Album heißt doch tatsächlich „Ghoulsong“ und auch wenn das natürlich vom Namen auch ein Stück der CRAMPS sein könnte, so fehlt WRAITHS das Bunte und Trashige, das sofort ein ganzes Referenzsystem aus „Tales from the crypt“ und Hammer Horror hervortreten ließe. Aber vielleicht ist das Mittel zur Relativierung die Übersteigerung – schließlich erfährt man über den Aufnahmeort des Albums: „Recorded under a layer of gravedirt“.

(M.G.)