THE HAXAN CLOAK: s/t

Es ist erfreulich, wenn in einer Zeit der zunehmenden Irrelevanz von Musik noch Labels existieren, die eine konsequente Labelpolitik betreiben. Dabei haben es Aurora Borealis in den letzten Jahren geschafft, im Spannungsfeld zwischen Akustik und Elektronik, zwischen Song und Experiment Bands zu veröffentlichen, die alle eine eigene, oftmals sehr originelle Handschrift tragen. Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass eine Reihe der Künstler dieses Labels versuchen, einen locus horribilis zu erschaffen, Musik machen, die den Hörer in Regionen versetzen soll, in denen nichts (mehr) sicher zu sein scheint, oftmals ein Interesse an dem besteht, was gemeinhin als dunkel oder abseitig wahrgenommen wird. Dabei ist die Krux sehr häufig, eine adäquate Sprache zu finden, um so etwas jenseits des Klischees und allzu ausgetretener Pfade (aus) zu gestalten (was die Seiten der gothischen Hochglanzpostillen bevölkert, gibt dem Begriff des Fremdschämens eine ganz neue Qualität). Dieses Problem spricht der Erzähler in Thomas Ligottis „Nethescurial“ bezogen auf einen anderen Bereich an (und man kann das auch durchaus als Problematisierung der Möglichkeiten und Schwierigkeiten unheimlicher Literatur im allgemeinen lesen), wenn er sagt: „Imagine the universe as a dream, the feverish nightmare of a demonic demiurge. […] The problem is that such supernatural inventions are indeed quite difficult to imagine. So often they fail to materialize in the mind, to take on a mental texture, and thus remain unfelt as anything but an abstract monster of metaphysics – an elegant or awkward schematic that cannot rise from the paper to touch us.” Man wird unweigerlich an T.S. Eliots (nicht unumstrittenes) Konzept des „objective correlative” erinnert. Um aber (endlich) auf das auf Aurora Borealis erschienene Debütalbum von The Haxan Cloak, das Einmannprojekts von Bobby Krlic zu kommen: Titel(gebungen) wie „Raven’s Lament“, „The Fall“ oder „Burning Torches of Despair“ machen zwar deutlich, wohin die Reise was die Stimmung anbelangt, gehen soll, allerdings sind die Wortkombinationen eher „awkward“ als „elegant“, gerade weil sie klingen, als stammten sie aus einem Generator, der möglichst düstere Tracknamen konzipieren soll (gibt es tatsächlich für das Erzeugen von Witchhouseprojekten). Lässt einen das erst einmal etwas zögern, so verhält es sich mit der Musik völlig anders: Die Klage des Rabens, die das Eröffnungsstück illustrieren will, wird durch an der Grenze zum Atonalen schrammende Streicher (Cello und Geige) und verhallte Perkussion verdeutlicht; da scheint alles ohne die Krücke des Digitalen auszukommen. Man hat den Eindruck, unfassbare Entitäten spielten auf selbstgebauten Instrumenten in entlegenen Wäldern. Sucht man Referenzpunkte, könnte man sagen, dass das so in etwa klingt, als hätten sich (die auch auf Aurora Borealis veröffentlichenden) Wolfmangler entschlossen ein Album mit Richard Skelton aufzunehmen. Bei „Burning Torches of Despair“ glaubt man gar, man habe Stücke des Black Light District-Albums von Coil neu interpretieren wollen. Auf „The Fall“ oder „Parting Chant“ kommt Gesang hinzu, der ein weiteres Klangelement in diesen teils desolaten Landschaften ist und der ähnlich unkategorisierbar ist wie der Rest des Albums: zwischen hexenhaft und sakral changierend. Auf diesem Debüt entfernt sich die Musik völlig von irgendwelcher Düsternis aus der Retorte, hier hat ein Künstler (s)eine ganz eigene Sprache gefunden und erfindet eine völlig originelle Art von unheilschwangerer Kammermusik.

M.G.

Label: Aurora Borealis