„Before the many, there were the few“ schreibt Jeanette Leech in Seasons They Change – ihrer Abhandlung über die Geschichte des Acid- und Psychedelicfolk – im Kapitel, das sich den drei Bands widmet, die lange bevor Free/Weird/Wyrdfolk ein Thema der Mainstreammedien werden sollte, Musik spielten, die von der Incredible String Band und Comus beeinflusst war, nämlich Stone Breath, In Gowan Ring und The Iditarod. B’ee hat sich nach vier Alben als In Gowan Ring mit Birch Book stärker am amerikanischen Folk orientiert und drei hervorragende Alben veröffentlicht, wird aber immer noch primär von denen rezipiert, die sein Werk aus dem World Serpent-Umfeld kennen, The Iditarod und auch das Nachfolgeprojekt Jeffrey Alexanders Black Forest/Black Sea sowie das Label Secret Eye als auch das von ihm betriebene Café scheinen nicht mehr zu existieren bzw. aktiv zu sein (wobei Carin Wagner Sloan auf dem gerade erschienenen Stone Breath-Album mitwirkt, das den gleichen Titel wie die hier besprochene Split-LP trägt). Stone Breath wurden von Timothy Renner vor einigen Jahren aufgelöst, um dann aber mit „The Shepherdess and the Bone White Bird” wieder aufzuerstehen und scheinen augenblicklich produktiver denn je zu sein.
Renners Werk war immer ein Spiegel seiner persönlich(st)en (theologischen) Obsessionen; man könnte fragen, ob das vielleicht einen breiteren Erfolg verhindert hat, aber das allein kann es nicht sein, schließlich haben über die Jahre die alttestamentarischen Feuer-und-Schwefel-Texte von David Eugene Edwards auch wenige davon abgehalten, 16 Horsepower oder Woven Hand zu hören. Vielleicht liegt es einfach an der größeren Sperrigkeit seines Werkes, denn Renners Musik hatte oft atonale Momente und war gleichzeitig ähnlich idiosynkratisch wie das Oeuvre David Tibets. Als er einige Jahre nach dem vorläufigen Ende Stone Breaths das Projekt Crow Tongue ins Leben rief, bei dem er von dem Perkussionisten AE Hoskins unterstützt wurde, hatte man den Eindruck, er genieße es, dass endlich einmal sein Mitmusiker in der Nähe wohnte, schließlich gab es immer eine ziemliche räumliche Distanz zwischen Renner, Sarada und vor allem Prydwynn. Inzwischen hat Renner ein so genanntes „lokales Lineup“ der Band gefunden: Brooke Elizabeth und Don Belch spielen mit Renner auf „The Aetheric Lamp“. Das sehr kurze „Beautiful and Terrible“ wird von Brooke Elizabeth gesungen und dient als Intro, bevor mit „Scorpion Tears“ ein typisches apokalyptisches Stück folgt und Renner intoniert: „see the face of fire gazing down“. Das ist ein Beschwören der „kommenden Feuer“ (wie es in einem anderen neuen Stück heißt). Zu Banjo und Flöte kommt Don Belchs Gitarrenspiel, durch das „Scorpion Tears“ zu einem der vitalsten und dynamischsten Stone Breath-Stücke der letzten Zeit wird. Dabei nimmt Brooke Elizabeth als zweite Stimme die Rolle ein, die Sarada bislang innehatte. Das lange „The Sky’s Red Tongue“ knüpft an das Vorgängerstück an, ist hochdramatisch und als Hörer fühlt man sich in eines von John Martins Gemälden versetzt: Es brechen große Tage des Zorns an, an denen die „Flügellosen sich nach Flügeln sehnen und die Geflügelten nach Wind“.
Renners Verknüpfung von Christentum und animistischen Ideen spiegelt sich im Artwork wider: auf der Vorderseite ein Hybrid aus Engel und Baum, aus Göttlichem und Natur, auf der Rückseite ein Skelett mit ausgestreckten Armen, das inzwischen Vögeln als Nistplatz dient, die Nachwuchs haben: Geburt und Tod liegen hier nah beieinander.
Language of Light, mit denen sich Renner schon mit Crow Tongue einen Tonträger geteilt hatte, arbeiten hier mit Mike Seed zusammen und klingen etwas weniger schwer: „Commit to Water“ wird anfangs fast a capella vorgetragen, bevor sich das Geräusch einer Kutsche und Drones hinzugesellen, der Gesang erinnert entfernt an einen etwas weniger fragil klingenden Martyn Bates (der sich auf den drei Teilen der „Murder Ballads“ zusammen mit Mick Harris intensiv an Folktraditionen abgearbeitet hat). „Grendel at Long Mynd“ ist ein mit brüchiger Stimme vorgetragener Folksong, dem die Geige eine leicht melancholische Note gibt; aber es gibt auch Stücke, die in einem Feedbackgewitter untergehen („Abraham’s Guest“). Normalerweise würde keiner auf die Idee kommen, diesen teils experimentellen, manchmal gebrochenen Folk als „leicht“ zu charakterisieren, aber im direkten Vergleich mit der Schwere Stone Breaths („Stone Breath is part of the earth. Metal, hair, wood, skin, flesh, leaf, breath, and bone make our songs. We sing hymns to God and the green wood. Stone Breath is not new. It is cracked. Broken. Imperfect. Hidden. Weathered by the seasons“ heißt es im Faceboook-Profil), ist die Musik dann doch – wie es der Name verheißt – l(e)ichter.
(M.G.)
Label: Hand/Eye
Label: Anticlock Records