STONE BREATH: The Aetheric Lamp

Kurz nach der Split-LP mit Language of Light folgt das den gleichen Titel tragende Vollzeitalbum des neuen, „lokalen“ Lineups von Stone Breath. Schon die drei Stücke auf dem Splitalbum machten deutlich, dass der Klang dieser Band durch das Zusammenspiel von Banjo und Akustikgitarre dynamisch(er) wirkt. Thematisch präsentiert Renner hier erneut (s)eine theologische Vision, die durch Zeilen wie „O the thunder has a voice if we have ears to hear it/Although the sound will terrify if we have reason to fear it“ („The Voice of the Thunder“) oder „Rise upon the altars of living breath or upon the shrapest horns of death“ stellvertretend veranschaulicht wird und fast hat man den Eindruck, dass diese Antithetik sich musikalisch sowohl im zweistimmigen Gesang als auch im Zusammenspiel von Gitarre und Banjo widerspiegelt.

Der Gesang von Renner und Brooke Elizabeth macht in Kombination mit dem rhythmischen Gitarrenspiel, für das sich Don Belch verantwortlich zeigt, aus „The Sleeping Rise“, dem die letzt zitierten Zeilen entnommen sind, im Rahmen dieses Albums eine fast schon optimistische Hymne. Auf „Scorpion Tears“ kommt zur Gitarre dann das für Renner so typische Banjo hinzu, dazu eine Flöte; es findet sich eine endzeitliche Bildlichkeit: „strange things with wings appear […] weeping blessed tears of scorpions“. Diese apokalyptische Zusammenrottung wird aber nicht in Angst erwartet, sondern der Sänger ist von der Schönheit dieser Erscheinungen verzückt. Auch „Where Angels Wings Unfold“ wird vom zweistimmigen Gesang geprägt und stellt eine Reihe (Glaubens-)Fragen: „Why was He hanged on that tree? / To learn the dreams of leaves? / What does revelation teach? Where is the heaven we reach?“ Der schon mit Crow Tongue beschworene Nicodemus (aus dem Song „ Awake Nicodemus“ des Abolitionisten Henry Clay Work) taucht erneut auf und am Ende machen dann Zeilen wie „We join our hearts in chant/Half in trance and half in prayer“ deutlich, dass die mystischen Elemente einer allzu engen orthodoxen Lesart entgegenwirken. Experimenteller ist das kurze von mantraartigem Gesang und Drones geprägte „Wingstorm“. „Terrible and Beautiful“, das vielleicht düsterste Stück des Albums, wird von Harmoniumdrones und schleppender Perkussion geprägt, textlich werden erneut Kontraste beschworen: „Beautiful and terrible: the shapes in the sky“, „Beautiful and terrible: the halo and the flame“ (Ich bin nicht gekommen um Frieden zu bringen, sondern das Schwert heißt es im Neuen Testament bei Matthäus). Von Stimmung und Thematik knüpft das lange „The Sky’s Red Tongue“ daran an. Die Geschehnisse („And the wingless turn in flight“) werden aber in der zweiten Hälfte weniger bedrohlich, weiblicher Gesang setzt ein, das Stück wird rhythmischer und ekstatischer, denn: „And the wingless sprout fine wings“. Abgeschlossen wird das Album vom vielleicht heimlichen Hit: dem zusammen mit Caren Wagner Sloan (ehemals The Iditarod) gesungene „The Coming Fires“, auf dem es heißt: „Saint and sinner both must bear it/In the night both shall hear it/We lie awake upon our pyres and await the coming fires“.

Es dürfte deutlich geworden sein, dass auf „The Aetheric Lamp“ fortwährend apokalyptische (durchaus hier in ihrer ursprünglichen Bedeutung als Enthüllung zu verstehen) Visionen beschworen werden. William Blake trifft auf John Martin, Feuer und Schwefel-Predigten auf animistische Ideen einer atmenden Natur (man denke an den Bandnamen und das Artwork), aber man hört auch immer wieder der Einfluss orientalischer Melodiefolgen (z.B. auf „The Voice of the Thunder“), die vielleicht an die „Secrets Bound in Skin“ erinnern sollen, die Renner einst auf Stone Breaths „The Silver Skein Unwound“ besang.

Allen Stücken wohnt zudem eine Schwere, eine Ernsthaftigkeit inne und Renner selbst sagte vor einigen Jahren in einem Interview, das ich mit ihm führte, dass er Ironie nicht sehr schätze. Man merkt auf diesem Album in jeder Sekunde wie jemand seine Vorstellungen ohne auch nur den Hauch eines Augenzwinkerns verkündet. Das Wort mag überstrapaziert sein, aber Renners Kunst (wie auch seine Labeltätigkeit) wirken völlig authentisch: Hier kommt die Apokalypse nicht mit Theaterdonner (wie im Metal) oder ertränkt im Kitsch (wie im kontemporären Gothic). Man mag (sich) zwar durchaus die Frage stellen, was man als Atheist oder Agnostiker mit den Texten, mit dem Beschwören des Gerichts anfangen soll. Eine mögliche Antwort findet sich in Julie Milnes Essay „The Abyss that Abides”, der im Ausstellungskatalog zu der großen John Martin-Ausstellung in der Tate Britain veröffentlicht wurde und in dem sie bezogen auf Martins spektakurläre apokalyptsche Gemälde schreibt: „In the twenty-first century Martin’s spectacular vision of the apokalypse still has a strong resonance, with reports of ecological disaster, pandemic and terrorist threat such that the spectacle of the apocalypse has become embedded in the narrative of popular culture.“ Eine mögliche Lesart wäre also, dass die „Flut“, die die Erde in „The Coming Fires“ in „Schlamm“ verwandelt, auch als Umweltkatastrophe gelesen werden könnte, aber vielleicht sind solche Rationalisierungsversuche gar nicht nötig und es sollte einfach ausreichen zu sagen, dass „The Aetheric Lamp“ mit die spannendsten Klänge enthält, die im weit aufgesplitterten Feld der zeitgenössischen Folkmusik augenblicklich zu hören sind.

(M.G.)

Label: Hand/Eye